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Abschied von einem Urgestein: Kleo ist jetzt im grün-weißen Himmel62 min read

28. Februar 2025

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Abschied von einem Urgestein: Kleo ist jetzt im grün-weißen Himmel62 min read

Liebertwolkwitz, am frühen Nachmittag. Der Himmel verhangen, die Stimmung trüb. Es fanden sich viele Weggefährten zusammen, um Kleo das letzte Geleit zu geben. Kleo, den jeder kannte in Leutzsch. Kleo, einer der ganz frühen Chemiker, einer von den legendären „Grünen Engeln“. Kleo, selber eine Legende. Es wurde ein würdiger Abschied, aber auch einer, der widerspiegelte, in welcher Welt sich Hans – so hieß er bürgerlich – bewegte.

Selten hatte man auf einem letzten Gang ein solches Getuschel, eine Unruhe, Handybimmeln und kaum unterdrückte Gespräche erlebt. Als wollte sich die Leutzscher Community nach der langen Spielpause ihrer grün-weißen Helden erst mal gegenseitig auf den neuesten Stand bringen. Erst mit den ersten Worten des Pfarrers, der standesgemäß in weißem Talar mit grünem Schal sprach – kein Wunder, der Mann ist selber ein lebenslanger Chemiker – kehrte Ruhe ein. Zwar ab und an unterbrochen vom nimmermüden Infolärm irgendwelcher belangloser Handy-Apps, die vom Besitzer vergessen wurden auszuschalten, aber immerhin. Es kam viel Gott vor in der Predigt, das Amen kam nur Wenigen über die Lippen. Klar, wenn Religionen aufeinander treffen… Aber Matthias, der Pfarrer, fand die richtigen Worte, spendete Trost, und hatte Geduld mit den Schäfchen, die da seine Kirche bevölkerten. Den letzten Weg begleiteten an die 100 alte Weggefährten, vielleicht ein paar mehr, vielleicht ein paar weniger.

Im Schwarzen Ross gleich nebenan wurde das letzte Bierchen auf Kleo getrunken, um den sich so viele Geschichten ranken, echte Stories gar. Die meisten rankten sich um die „Grünen Engel“, von denen einige anwesend waren. Diese älteste Fanvereinigung im Leutzscher Holz, die sich aber erst 1982 einen Namen gab, hatte eine hohe Anziehungskraft. Nach der Gründung wollten immer mehr Leute zu den „Engeln“. Kleo hatte im Buch „Kennst du den Platz, wo die Sonne stets lacht? Chemie und seine Fans Band 2“ mal aus dem Nähkästchen geplaudert: „Aufnahmekriterium waren vor allem drei Punkte: Erstens: Wir waren mit Fleisch und Blut Chemie-Anhänger. Zweitens: Die DDR war Scheiße, und wir hatten diese Gesinnung, und jeder der in unsere Nähe wollte, musste diese auch haben. Und drittens: Man musste das gleiche Hobby wie wir haben – also Chemie! Etwas anderes gab es nicht. Und man musste Geld verdienen. Man wollte von den Bullen ja nicht wegen des Asozialen-Paragrafen belangt werden. Zudem wurde gern gesehen, dass man Fußball spielte, wir haben ja oft gekickt. Und lange Haare waren selbstverständlich Voraussetzung. Trinkfest musste man zudem sein, aber die meisten erfüllten das ja locker“.

In jungen Jahren schon entdeckte „Kleo“ sein Herz für Chemie, und sammelte erste Meriten als Stift, als er vor der Tribüne für die Älteren Bier holen musste.

Bald traf er im Fanblock neben dem Spielereingang auf Gleichgesinnte, mit denen er wenig später stets gemeinsam unterwegs war. Später wurde daraus der „Stamm“, der an seinen langen Haaren, Bärten und absolut unkonformen Verhalten zu erkennen war. Anfang der 80er wurde daraus der Fanclub „Grüne Engel“, der stilbildend für viele Jüngere wurde. „Kleo“ war bis zuletzt bei jedem Spiel der BSG anzutreffen. Auch Fans anderer Fanclubs erinnerten sich an die Sitten und Gebräuche der Engel zu damaligen Zeiten. Sogar der Pfarrer, der nun die letzten Worte sprach, konnte sich im gleichen Buch erinnern: „Die haben Monopoly in der Hoffnung West gespielt und Vanilleschnaps getrunken. Im Kleinen Restaurant im Hauptbahnhof saßen sie auch immer und verlangten vom Pianisten, den es damals dort tatsächlich gab, dass er Chemielieder spielen solle. Das Steigerlied war sehr populär damals, und das erklang dann andauernd“. Und Heiko Sieler, Jg. 1962: „Der Stamm saß vor dem Spiel in der Leutzscher Aue oder in der Waldluft, aber die ließen doch keinen an sich ran. Das war wie ein interner Kreis. Die ließen sich nicht gern in die Karten schauen. Da kam keiner rein“.

Aus dem BStU-Archiv, Reg.-Nr. 00082
Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Leipzig                   Leipzig, 17. September 1973
Po/Fi                   473/73
Stellvertreter Operativ, Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Leipzig

Leiter der Kreisdienststelle Leipzig-Stadt

Der Anlaß zur Einleitung der beigefügten Ermittlungen war folgender:

Der PKW, pol. Kennzeichen SC (geschwärzt) wurde am 25. 8.1973 gegen 18.30 Uhr mit 4 männlichen Personen besetzt, den Dittrichring in Richtung Dimitroffplatz fahrend, festgestellt. Der Fahrer sowie 2 weitere Insassen trugen Vollbärte und machten insgesamt einen ungepflegten Eindruck.

Alle 4 Personen hatten die unter dem fanatischen Teil des Chemieanhanges üblichen grün-weißen Rennfahrermützen auf. An der Innenseite der Heckscheibe war ein Wimpel mit einem Emblem der sozialistischen Sportbewegung zu sehen, möglicherweise das der BSG Chemie.

Während des Oberligaspiels BSG Chemie Leipzig – Energie Cottbus am 22.8.1973 wurden diese Personen hinter dem der Nordtribüne gegenüberliegenden Tor im Georg-Schwarz-Sportpark festgestellt, wo sie durch lautstarke und unflätige Bemerkungen gegen die Entscheidungen des Schiedsrichters auf sich aufmerksam machten.

Anlage                                                                 Dr. Pommer

13 Blatt                                                               Oberst

 

Aus dem BStU-Archiv

Reg.-Nr. XIII 863/84

BV für Staatssicherheit                                                 Leipzig, 15.6.1984

AG OP. Aktionen und Einsätze

Operativinformationen

Anfang 1982 „gründeten“ eine Gruppierung Jugendlicher/Junger Erwachsener, die ausschließlich eine prowestliche Einstellung besitzen und Anhänger der BSG Chemie sind, einen Fußball-Fan-Club und gaben sich den Namen „Grüner Engel“.

Die Anregungen entnahmen sie Sendungen des BRD-Fernsehens. Mit dem Ziel, den Fan-Club zu legalisieren, nutzten die Mitglieder die gesellschaftlichen Massenaktivitäten im Rahmen der Vorbereitung des VII. Turn- und Sportfestes der DDR und meldeten sich am 1.4.82 als Volkssport-Fußballmannschaft bei der BSG Chemie Leipzig an.

 

Im Fan-Club sind 19 Jugendliche/Junger Erwachsene im Alter von 25-30 Jahren organisiert. Von diesen 19 Personen liegen in den Speichern/Karteien des MfS  6 Personen und der DVP 12 Personen ein; vorwiegend wegen Staatsverleumdung, Rowdytum, Hetze, Waffenbesitz, Körperverletzung oder öffentliche Herabwürdigung.

Mitglieder dieses Fan-Clubs sind fanatische Anhänger von BRD-Profimannschaften bzw. der BRD-Nationalmannschaft. Sie informieren sich ständig durch BRD-Fernsehen bzw. Rundfunksender sowie eingeschleuste Zeitschriften über Spiele dieser  Manschaften in der Bundesliga bzw. Europacup- sowie Länderspiele. Entsprechend der Möglichkeiten reisen Mitgieder des Fan-Clubs zu Spielen von BRD-Mannschaften ins sozialistische Ausland. So erfolgten Besuche des Länderspiels Rumänien – BRD 1982 inCraiova (seitdem existieren verstärkte persönliche und postalische Kontakte zu Fußballfans Rumäniens) und Ungarn – BRD 1983 in Budapest. Beabsichtigt ist, den Spielen im Rahmen des Inter-Toto-Cups 1. FC Magdeburg – 1. FC Nürnberg (28.7.84 in Magdeburg) und Bohemians Prag – Borussia Mönchengladbach (Juli in Prag) beizuwohnen.

Inoffiziell wurde erabeitet, daß Mitglieder des Fan-Clubs umfangreiche Verbindungen zu ehemaligen DDR-Bürgern, die seit 1981 und zuletzt im Rahmen der Aktion „Botschaft“ nach der BRD oder WB übersiedelten, unterhalten. Diese ehemaligen DDR-Bürger gehörten in Leipzig zum ,Freundes- und Bekanntenkreis der „Grünen Engel“. Inoffiziell ist bekannt, daß Mitglieder selbst Übersiedlungsabsichten in den letzten Jahren bzw. Monaten hatten, keiner aber als Antragssteller in Erscheinung trat.

Persönliche Kontakte werden u. a. durch Treffen mit diesen ehemaligen DDR-Bürgern im Rahmen von Sportveranstaltungen im sozialistischen Ausland bzw. dem „Schwarzbierfest“ in Prag aufrechterhalten. So trafen sich im April dieses Jahres anläßlich des „Schwarzbierfestes“ Mitglieder des Fan-Clubs mit den jetzigen Bürgern Westberlins (Name geschwärzt) und (Name geschwärzt), wh.: 1 Berlin-West, (geschwärzt), wh.: 1 Berlin-West, (geschwärzt).

(Name geschwärzt) wird von einer inoffiziellen Quelle als Rechtsradikaler eingeschätzt. Er ist Mitglied eines Fan-Clubs der WB-Profimannschaft Hertha BSC. Er übergab in Prag den DDR-Bürgern Hetzschriften, die sich gegen die Staatsgrenze DDR-BRD bzw. WB richten, Fußballzeitungen und Symbole von BRD-Bundeligamannschaften.

Leiter der AG, Strenger, Hauptmann

Die Grünen Engel

Ihr Himmel war Leutzsch, ihr Gott hieß Chemie

 

Die Geschichte der „Grünen Engel“ – sie begann etwa Mitte der siebziger Jahre, als sich eine wilde Meute zusammenfand, die, der „Stamm“ genannt, nochmals herausstach aus der ohnehin auffälligen Leutzscher Menge. Die Engel fielen vor allem durch ihre strikte Einstellung gegen Staat und Obrigkeit, lange Haare und renitent-selbstbewusstes Verhalten auf. „Wir waren schon ein Stachel im System“, ist sich Egge, Mitglied der ersten Stunde, sicher. „Wir waren ganz bewusst Chemie-Fans, oppositionell, gegen den Staat. Da gab es gar keine Frage“. Und Gründungsmitglied Uli bekennt: „Wir haben den Westen verehrt“.

Und sie waren sich der Wirkung bewusst, die sie auf die jüngeren Fans hatten. Manney weiß auch, warum: „Wir waren einzigartig. Wir haben gemacht, was wir wollten, immer was auf die Beine gestellt, geht nicht, gab’s nicht“. Sie kegelten gegen die 1. Mannschaft von Chemie, veranstalteten Monopoly-Abende, tranken Kneipen leer, nächtigten bei Auswärtsfahrten in Luxushotels und verschreckten die Funktionäre zwischen Aue und Rostock. Und sie hatten einen festen Rechtsanwalt, den sie des Öfteren bemühen mussten.

Zum sogenannten „Stamm“ gehörten anfangs viele Böhlitzer, aus anderen Leipziger Vierteln kamen weitere Mitglieder hinzu. Sie alle hatten eine Anti-Haltung zur DDR entwickelt, die sie pflegten und kultivierten. „Wir hatten doch eine pro-westliche Einstellung von Jugend an“, erklärt Uli. „Man durfte nicht ins Ausland fahren, und so entwickelte sich das Gedankenbild nur in eine Richtung. Dabei hält Uli sich und seine Freunde für „normal erzogene Menschen“. Trotzdem: „Wir hatten einen richtigen Polizeihass“, ergänzt Amboß. „Man kann es mit wenigen Worten erklären: Wir waren weder jugendfrei noch staatstragend“, so Egge. Deshalb wurden sie von anderen schon als Vorbilder gesehen, denkt Peter Lohse: „Wir waren ein Block von etwa 15 Mann, die füreinander eingestanden haben. Wir waren so gut wie unangreifbar, und haben uns auch viel erlaubt im Gegensatz zu anderen.“ Stets umlagert von Sympathisanten, Freunden und Nachahmern, so dass immer wieder eine richtig gute Meute unterwegs war.

BEGINN

Die „Ur-Begegnung“ lässt sich nicht mehr so richtig bestimmen. Andreas Jäh, Spitzname „Bauleiter“, traf 1972 die ersten späteren „Engel“: „Mich nahm ein Lehrlingskollege namens Brandt mit in den Felsenkeller, da traf ich dann erstmals auf die anderen“. Kleo weiß noch, dass einige der späteren Engel neben ihm im Block standen und man sich langsam kennen lernte: „Man merkte ja, wer zu den Auswärtsspielen fuhr, und traf sich immer wieder“. Man machte aus, sich mal in einer Kneipe zu treffen. Das geschah dann auch, und man wählte den Burgkeller für „das erste Mal“. An jenem Abend ging es in der „Moderna“ weiter, doch dort war 21 Uhr Feierabend. So zog der Mob weiter nach Plagwitz, wo man es im Felsenkeller krachen ließ. „Das gefiel uns so gut, dass wir uns eine Weile lang jeden Tag dort trafen“, erzählt Kleo. Auf eine Trommel, also ein rundes Schanktablett, passten genau 16 Bier, und jeder musste eine bestellen und bezahlen – auch wenn es sich um das damals unbeliebte „Sachsenbräu“ handelte: „Da musste man durch“, grient Kleo.

Später wurde die Kneipe „Schöpcke“ am Wiedebachplatz zur Stammkneipe – der Besuch an jedem Donnerstag wurde zur absoluten Pflichtveranstaltung. Offiziell war 21 Uhr Schließzeit, aber für die „Engel“ galt das nicht. „Es ging unbegrenzt lange, allerdings gab es am Ende auch nur noch Schnaps. Die Wirtsleute haben den gepanscht und mit Wasser verdünnt – ich denke, die sind allein durch uns steinreich geworden“, lacht Kleo.

Viele Kneipen wurden ausprobiert und boten zeitweise Heimstatt für die Engel. Das Bürger Werner war eine Kneipe in der Innenstadt, Heller Franz befand sich in der Bornaischen Straße, Ullrich-Eck, Feldschlösschen oder Brandvorwerk – sie hatten sie alle. Zeitweise waren sie auch „Waldgänger“ – es ging in den Wilden Mann, in die Waldluft oder die Leutzscher Aue. Auch Zweenfurth und Günthersdorf waren angesagt. Allerdings mussten sie auch öfters wechseln – weil man sie irgendwann nicht mehr haben wollte. Kein Wunder bei den Exzessen, die es immer mal wieder gab. Wie im Felsenkeller: „Da wurde die Kapelle mit Pfannkuchen beworfen“, erinnert sich James, der viel mit den Engeln unternahm, allerdings Mitglied beim Fanclub Connewitz war. Er berichtet auch, wie bei den „Engeln“ mit Alkohol umgegangen wurde: „Es gab Wettsaufen, einer gegen den anderen, bis der erste vom Stuhl fiel. Oder das beliebte Trommeltrinken, bis einer nicht mehr sprechen konnte“. Es wurde ausprobiert auf Teufel-komm-raus: „Es gab das U-Boot-Trinken, oder es wurden Tabletten ins Bier gemixt“, so Uli: „Wir wollten einfach sehen, was passiert“. Auch verrückte Schnäpse gingen immer und gern: „Riga Black Balsam hatte viele Prozente und schmeckte sehr bitter. Aber das musste eben“, lacht Bauleiter. Manney war bekannt dafür, dass er einen halben Eimer Kali trinken konnte, und das beliebte Lied „Der Boonekamp, der Boonekamp, der hält die BSG zusamm'“ hatte einen klaren Hintergrund. Das Staffeltrinken wurde auch mit Frauen ausgetragen. Eine Staffel, bestehend aus x Teilnehmern, trinkt gegen eine andere Staffel. Der erste Teilnehmer trinkt sein Glas auf Ex, stellt es auf dem Boden ab und der nächste beginnt mit dem Trinken. Natürlich gewinnt die Staffel, die zuerst alle Teilnehmer mit leerem Glas hatte. „Wir haben fast immer gewonnen“, stellt Manney trocken fest.

Einmal tranken sie in einer Rostocker Kneipe. Manney: „Es wurde immer das gleiche bestellt: 15 Bier – 15 Pfeffi – 15 Bier usw. Das ging so lange, bis die Kellnerin korrigierte: Es sind nur noch 14 Pfeffi! Wir fragten warum, und sie meinte nur: Na, weil einer Totalausfall hatte…“

Am Wochenende ging es dann oft ins „Elstertal“, auch aus unerfindlichen Gründen „Elli Morelli“ genannt (in der Rödelstraße 14 in Schleußig, der Verf.), wo es so hoch herging, dass der Kneiper das Bier mittels eines Wagens zu den Engeln transportieren musste – 50 Kaltgetränke passten auf den Wagen, der Wirt musste nicht so oft hin- und her rennen und die Engel bekamen erst gar keinen Durst. „Wir hatten da auch einen Tresen nur für uns“, erinnert sich Kleo an diese wilde Zeit um etwa 1976.

Musik machte dort meist die „Tanzkapelle Blau-Gelb“. Der Saal war voller Chemiefans, welche die gespielte Musik nicht immer wirklich mochten. „Wenn es zu viel wurde, ist regelmäßig einer von uns auf die Bühne geklettert und hat die Musik erst mal unterbrochen. Dann wurden Gedichte vorgetragen: „Selbst die Vögel wissen zu unterscheiden, wer der Bessere ist von beiden“, oder „Das Epos auf Ralf Heine“. Peter Lohse oder Stefan Meurer rezitierten die Gedichte und stimmten danach Chemie-Lieder an – von der Bühne herunter! Die Musiker kannten das schon und machten erst mal Pause. Der halbe Saal sang mit, es wurde immer heißer. Es folgte das „Otto-Skrowny-Lied“: „Ja wer hat dir denn das sagenhafte Schießen beigebracht? Otto Skrowny, Otto Skrowny! Ja wer hat dir denn das sagenhafte Schießen beigebracht? Otto Tschirner, Otto Tschirner!“

Sauf-Laube, Dave Dee und James machten derweil Patrouille durch den Saal auf der Suche nach einzelnen Verirrten, die den Vortrag gestört hatten, die dann kurzerhand aus dem Saal entfernt wurden.

Auch Lokisten gab es dort, aber mit denen gab es keinen Zoff, man respektierte sich gegenseitig. Der Bruder vom Schwarzen und Braunen gründete sogar die Raben mit, dann gab es Lok-Bernd, Kaiser, den kleinen Pfanne – die waren auch immer dort. „Die waren in Ordnung, und manchmal zogen wir sogar zusammen um die Häuser“, so Kleo, und erzählt weiter: „Im Elstertal wurden auch herrlich verrückte Sachen abgezogen, wenn wir nach den Auswärtsspielen dort einkehrten. Es gab den sogenannten ‚Häßlingstanz‘. Wer die hässlichste Flamme im Saal zum Tanzen aufforderte, bekam von jedem ein Bier ausgegeben. Oder wenn bei dem Lied ‚Give peace a chance‘, das auf Chemie getrimmt wurde, alle auf dem Boden lagen und voller Inbrunst mitgesungen haben. Das war ein Anblick!“ Uli erzählt, wie viel und fleißig damals gesungen wurde. Es gab sogar ein eigenes Liederbuch der „Engel“, fotokopierte A-4-Blätter mit den Texten – gängiges deutsches Liedgut mit leicht abgeändertem Textmaterial.

Legendär war nicht nur der Alkoholkonsum, sondern auch die aus ihm resultierenden Spitznamen. Sauf-Laube, Spritkanne, Trinker-Achim, Sprit-Ines und Karla Lunikofa (nach einer Wodkasorte) waren gängige Namen. Einige stammten aus dem Elstertal. Kleo erinnert sich: „Dort wurde richtig gesoffen. Wir waren Stammgäste, und so bekamen wir auch jede Menge Sonderbehandlungen. Wenn Amboss, der ja Wein trank, zum Beispiel besoffen war, kam die Kellnerin und führte ihm das Glas zum Mund. So lehnte er an seiner Säule und wurde auf diesem Wege immer noch versorgt, bis eben gar nichts mehr ging“.

Legendär waren auch die sogenannten „Halbjahresfeiern“. Sie wurden zelebriert, wenn wieder ein „Engel“ zur Armee eingezogen wurde. Diese Mega-Partys fanden zumeist in Gartenkneipen statt – in der „Hoffnung West“ an der Merseburger Straße, der „Warteburg“ in Gundorf oder sonst wo, und waren für lange Zeit die letzte große Feier für die Betreffenden. Von jedem wurden 50 Mark eingesammelt und los ging es – meist wurde bis zum Exzess gefeiert.

Und wenn in der „Großen Eiche“ in Böhlitz gefeiert wurde, wurden auch schon mal Kampflieder gesungen: „Da wurde im Rhythmus aufgestampft, und manche Besucher dachten, da käme die Waffen-SS marschiert“, erzählt Andreas Körner.

Später gab es „Tag der Blessuren“. Nach dem Spiel, das in der Regel sonntags stattfand, „kurierte“ man sich ein wenig aus – oder gönnte sich etwas Spaß. Montags wurde in der Burgaue in der Gustav-Esche-Straße mit Teilen der ersten Mannschaft von Chemie getrunken und geklammert. Der Kontakt zwischen „Engeln“ und Fußballern war teilweise eng.

 

GRÜNDUNG

„Eigentlich waren wir Individualisten und brauchten gar keinen Fanclub. Das war eher aus der Not geboren“, gibt Machti zu Protokoll. Es ging um die Anbindung an Chemie und die Nutzung der Fußballplätze. „Als Levis-Army waren wir doch schon jahrelang zuvor unterwegs“, lacht er. Den Namen „Grüne Engel“ gab man sich während der legendären Gründungsversammlung im „Kleinen Restaurant“ im Hauptbahnhof. Dort kehrte man des Öfteren ein, wenn man von den Auswärtsspielen heimkehrte. „Es gab da einen Klavierspieler, und es war wie ein Ritual, wenn wir den Saal betraten. Er unterbrach sein aktuelles Lied und spielte ‚Bomben auf Engeland‘ – jedes Mal“, erinnert sich Andreas Körner. Uli Prosch war damals auch dabei: „Wir waren ja schon vorher eine Truppe, aber nicht so organisiert und noch ohne Namen“. Egge erinnert sich: „Wir haben uns gedacht, wenn wir das machen, dann mitten in Leipzig und ganz offen. Wir saßen dann ja auch an einer ellenlangen und schön eingedeckten Tafel mitten im Restaurant. Und wir fielen massiv auf, so ein Haufen Leute mit langen Haaren, Bärten und im Shell-Parka“. Kleo: „Wir sagten uns, in England gibt es Fanclubs, also können und wollen wir das auch. An dem Tag der Gründung waren wir 20, 25 Leute“. Natürlich wurden auch entsprechend viele Getränke benötigt. „Der Kellner stand in Rufbereitschaft“, weiß Egge noch. Selbstredend waren auch die Servicekräfte in dem Lokal Chemiker.

Mehr Mühe machte die Namensfindung. „Der Name musste ja kompatibel sein, damit nicht am nächsten Tag die Stasi vor der Türe stand“, erklärt Egge. Irgendwer hatte das mit den Engeln in die Runde geworfen, und man mochte die Ironie. Sie, die Engel? Mit ihren Rauschebärten, Bäuchen und der jederzeit großen Klappe? Kleo: „Weil wir uns nichts gefallen lassen wollten und Chemie durchsetzen wollten, fanden wir Engel gut. Auch die Hells Angels spielten eine Rolle, der Einfluss war schon ein bisschen mit da“. James hingegen schwört: „Der Name hat mit den Hells Angels nichts zu tun, das weiß ich genau!“ Egge wiederum erinnert sich so: „Die Hells Angels spielten schon eine Rolle, man kannte den Namen, hatte über die Geschehnisse 1969 im Hyde Park gehört. Aber es war schon klar, dass das nicht geht. Also kamen wir auf Green Angels, aber am Ende wollten wir es als deutschen Namen“. Für Manney ganz klare Sache: „Engel waren wir ja, das Grün war auch klar, und es klang gut und seriös – also war alles klar“.

Zwei der Anwesenden hatten eine andere Idee, die sie auch mit Vehemenz vertraten: „Wir haben das Wort Georg-Schwarz-Sportpark einfach ins englische übertragen, und fanden, dass wir als ‚Black Park Rangers‘ auch einen tollen Auftritt gehabt hätten“, meint Bauleiter heute noch. Er und Tommy Macht votierten dafür, doch letztlich befand man den Namen als zu martialisch. „Wir hatten schon genug Ärger…“, sagt Egge, „zudem wären die Kommunisten pikiert gewesen, weil sie den Namen Georg Schwarz dann nach ihrer Logik entehrt gesehen hätten“.

Als sie sich schließlich per Abstimmung mit 12:10 auf „Grüne Engel“ geeinigt hatten, klatschten die Leute ringsum Beifall. Unbemerkt war die Versammlung also auf keinen Fall verlaufen…

Anschließend wurde über weiteres abgestimmt: über ein zu gründendes Fußballteam, und über den Präsidenten des Clubs. Egge: „Wir wollten nach guter alter Tradition den Ältesten bestimmen, das wäre James gewesen. Er wollte aber nicht, machte ja auch eher bei den Connewitzern mit, also wurde es dann Wolfgang Weißhorn“. Er war eigentlich Alterspräsident, die Organisation übernahm Andreas Körner, auch „der Alte“ genannt, der dann später Präsi wurde. Danach wurde eine Runde Schnaps bestellt, man ließ den neuen Präsi hochleben und wieder applaudierten die Nebentische. Stürmer Leitzke, damals blutjung und gerade in die erste Mannschaft gerückt, sah die Versammlung nach ihrer Auflösung und dachte noch so bei sich, was das denn für Hippies wären. Dabei hatte er einen historischen Moment erwischt…

Nach der Gründung wollten immer mehr Leute zu den „Engeln“. Aufnahmekriterium waren laut Kleo vor allem drei Punkte: „Erstens: Wir waren mit Fleisch und Blut Chemie-Anhänger. Zweitens: Die DDR war Scheiße, und wir hatten diese Gesinnung, und jeder der in unsere Nähe wollte, musste diese auch haben. Und drittens: Man musste das gleiche Hobby wie wir haben – also Chemie! Etwas anderes gab es nicht. Und man musste Geld verdienen. Man wollte von den Bullen ja nicht wegen des Asozialen-Paragrafen belangt werden. Zudem wurde gern gesehen, dass man Fußball spielte, wir haben ja oft gekickt. Und lange Haare waren selbstverständlich Voraussetzung. Trinkfest musste man zudem sein, aber die meisten erfüllten das ja locker“.

„Wir waren keine Widerstandskämpfer, aber wir waren schon strikt gegen diesen Staat. Wir waren nicht zufrieden, wollten reisen, mal richtigen Fußball sehen. Also provozierten wir gern mit Liedern, die man heute nicht mehr singen darf, aber wir dachten uns auch nichts weiter dabei“, erzählt Uli. Das ging so weit, dass ein Mitglied, Kongo-Müller, mal mehr oder weniger rausgeekelt wurde, weil er eine „Rote Zora“ hatte – „ein Mädel, die politisch halt anders tickte als wir“, so Uli.

Potentielle Neue mussten sich erst vorstellen, über die Aufnahme wurde gemeinsam entschieden, und es brauchte eine Mehrheit, um dabei sein zu können. „Wir haben doch schnell erkannt, ob einer zu uns passt“, sagt Manney. Wer es schaffte, musste erst mal ein paar Runden ausgeben. Einer, der in den Kreis vorstieß, war Peter Lohse. Er erinnert sich, wie er immer neben dem frühen „Stamm“ stand und seine Fahne schwenkte: „Da wollte ich gern dazu gehören, aber in den inneren Kern kam man nicht so leicht. Da wurde ich erst mal durchleuchtet“. Nach einer Weile war er dann als Jüngerer akzeptiert und gehörte fest dazu.

Kassenwart war Kleo, der damit auch die Übersicht über die Mitgliederzahl hatte. Die Geschichten von 200 und mehr Leuten, die sich mit den Engeln bewegten, verweist er klar ins Reich der Fabel: „In Hochzeiten waren wir 50 Mann, aber davon war auch nicht jeder ein offizieller Engel. Viele kamen ja nur mit uns mit und bewegten sich in unserem Umfeld. Ein echter Engel war, wer mit Fußball spielte und angemeldet war!“ 15 Mark im Monat wurden als Beitrag einkassiert. Ausgegeben wurde es für Auswärtsfahrten, für die Bezahlung eines Fasses Bier, wenn um jenes Fußball gespielt wurde oder für Rechtsanwaltskosten, wenn mal jemand im Knast landete.

 

DIE LEUTE

Die „Engel“ kannte im Grunde genommen Jeder bei Chemie. Einige aus ihren Reihen aber waren regelrecht populär. Dazu gehörten Stefan Meurer und auch Mecke, die sich jahrelang als Vorsänger profiliert hatten. Sie waren es, die den gewaltigen Fan-Chor vor jedem Spiel animierten: „Chemie-Fans, seid ihr alle da?“ Auswärtsfahrten waren obligatorisch. „Und wenn einer nicht kommen konnte, dann hieß es, er hat angerufen und schickt zwei Flaschen Pfeffi“, berichtet Amboß.

Sie stammten fast alle aus „gutem Hause“, wie man damals sagte. Viele Eltern der „Engel“ standen mit beiden Beinen fest auf beruflichem und gesellschaftlichem Fundament. „Es gab den Direktor des Plattenwerkes Wiederitzsch, einen Augenarzt, den Reichsbahndirektor, Schuldirektor, Stasimitarbeiter, einen Professor für Marxismus/Leninismus und anderes“, zählt Egge auf, „die sahen es natürlich nicht gern, wenn ihre Söhne verhaftet wurden. Vielleicht hat man uns deshalb eine verhältnismäßig lange Leine gelassen“, vermutet er. Er selbst hat während seiner aktiven Fanzeit schätzungsweise 500 Mark an Strafen bezahlt, die ihm die Polizei aufgebrummt hatte – vor allem wegen „unsozialen Verhaltens“. Peter Lohse sinniert: „Ich sehe in uns immer so was wie vernachlässigte Kinder, denn durch ihre Berufe hatten viele unserer Eltern keine richtige Zeit für uns. So haben wir uns vielleicht unbewusst eine zweite Familie gesucht“. Auch die schnuckeligste Freundin konnte für sie nichts daran ändern, dass zuerst Chemie kam und dann eine lange Weile nichts.

Bei den „Grünen Engeln“ gab es Leute, die alles besorgen konnten. Fleischer Oschmann lieferte Bückware wie Würste und gutes Fleisch, „Bürger“ Porstmann kam über seine Arbeit an Fliesen und Baumaterialien heran.“Becke“ arbeitete in einer Brauerei, „Egge“ im Kaufhaus am Brühl. Bert war bei der Wohnungsverwaltung und konnte nachhelfen, wenn es um Wohnraum ging, Manney fuhr Schwertransporte und brachte seltene Waren aus Berlin mit. Paschli (†) war Elektriker bei der Post und versorgte rare Telefonanschlüsse, für Gas, Wasser und Scheiße war „Bauleiter“ zuständig – Steine, Fenster und Baumaterialien versorgte Kleo, der im Abbruch arbeitete. Und Kleo veranstaltete Videoabende, denn er besaß als einer der wenigen DDR-Bürger jener Zeit in den 70er Jahren einen Videorecorder. Seine Freundin war Bundesbürgerin, so war er in den Besitz des wertvollen Technikstückes gelangt.

„Wir waren eine enge Gemeinschaft. Man konnte nachts an der Türe klopfen und um Hilfe ersuchen, und man bekam sie. Wir haben gesammelt, wenn mal einer keine Kohle hatte für die Auswärtsfahrt, haben Anwälte bezahlt, wenn einer von uns weggefangen wurde“, erzählt Kleo. „So sind echte Freundschaften erwachsen“, bekräftigt Uli. Innerhalb des Fanclubs kam es zu engen Beziehungen und Allianzen. Manney, Bauleiter, Sauf-Laube und Schorsch wurden die „vier Seekollies“ genannt. Der Name war ihnen mal auf einer Fahrt an die Ostsee verpasst worden, da die vier sehr oft zusammen etwas unternahmen.

Auch sehr erfindungsreich waren die „Engel“. Peter Lohse war als Dichter des „Poem für Ralf Heine“ hervorgetreten. Die Sache mit dem schweren grün-weißen Hammer hatte sich nicht durchgesetzt, dafür kam Stefan Meurer mit einer riesigen Holzrassel daher. „Diese Marke Eigenbau war so schwer, dass man erst mal ziemlich in die Knie ging, wenn man das Teil in Bewegung setzen wollte“, erzählt Amboß. Auch zwei Sirenen wurden mitgeschleppt, einer musste festhalten, ein anderer leierte die Kurbel, bis der ohrenbetäubende Lärm erklang. Auch der erste Fanschal in Leutzsch und möglicherweise auch der gesamten DDR stammt von einem „Engel“ bzw. dessen Frau. Egges Frau Ute strickte den Schal und wurde damit zum Trendsetter).

Zu den Auswärtsspielen reiste man so viele Tage zuvor an, wie es nur möglich war: „Wir haben das ausgenutzt, so gut wir konnten“, erzählt Manney. Ankunft drei, vier Tagen vor dem Spiel waren keine Seltenheit. „Da wurde über den Betrieb die Übernachtung per Telefon organisiert. Je teurer es war, um so besser“, erzählt Manney. „Wir hatten den größten Spaß daran, dass die in den feinen Hotels ihren Augen nicht trauten, wenn wir wüsten Gesellen dort Einlass begehrten und sie uns nicht wieder wegschicken konnten, weil wir ja verbindlich bestellt hatten!“ Auch Amboss erinnert sich ähnlich: „Wir hatten Geld und das wurde auch verballert. Ich war auf Montage, da lief das ganz gut.“ In Rostock wohnten sie im legendären Hotel Neptun und taten einiges für die kulturelle Bildung. Hafenrundfahrt, Spaziergang – aber als sie in die Nähe vom Stadion kamen, wurden sie verhaftet. In der Nähe hatte es irgendwelche Randale gegeben, und sie wirkten verdächtig. Vom Spiel sahen sie an diesem Tag nicht eine einzige Minute…

Das Geld hatten sie aus ganz legalen Quellen, wie Kleo beteuert: „Wir hatten immer Kohle, denn wir arbeiteten als ‚Feierabendbrigade‘ zusammen. Für die Kommunale Wohnungsverwaltung führten wir Entrümpelungen und Maurerarbeiten durch, so haben wir gutes Geld verdient“.

Auf Chemie wurde auch nicht verzichtet, wenn der Armeedienst abzuleisten war. Wenn dann doch mal einer der eher seltenen Ausgänge anstand, wurde auf Teufel komm raus zu Chemie gefahren. „Einmal bin ich sogar in Uniform aufgekreuzt, das war komisch, zumal ich ja auch noch kurze Haare hatte“, erinnert sich Amboß. Auch ein Renft-Konzert wurde in Uniform besucht, was sich mindestens genau so seltsam anfühlte.

Überhaupt die Musik: „Wir waren viel zu Konzerten unterwegs, in Groitzsch, Gaschwitz, St. Mülsen. Allein Renft habe ich bestimmt an die 25 mal gesehen“, erzählt Egge.

 

GEWALT

Gewalt war nicht so das Ding der Grünen Engel. „Wir waren nicht darauf aus. Körperverletzungsdelikte führten in der DDR ja schnell zu Gefängnisstrafen, und da konnte es schnell sehr ungemütlich werden. Auch ohne erwischt zu werden: Montags wollten wir alle wieder zur Arbeit gehen. Aber aus dem Weg gegangen sind wir dem auch nicht. Was sein musste, musste eben sein“, sagt Manney. Kleo ergänzt: „Wir haben uns fast nie gekloppt. Wir haben lieber mit den maßgeblichen Fans anderer Mannschaften gesoffen. Man kannte und akzeptierte sich. Aber es war auch zu spüren: Die anderen hatten Respekt und hielten sich lieber uns gegenüber zurück“. Vielleicht lag das auch an dem großen Hammer mit langem Stil, der Uli Streubel grün-weiß angemalt hatte und öfters mal mitgeschleppt hatte. „Das hat sich aber nicht durchgesetzt. Das Ding war schwer und keiner hatte Lust, das immer mit sich rum zu schleppen“, weiß Manney.

Wenig friedfertig erlebte „Schorsch“ Porstmann in den 70ern die Chemiker bei Union: „Da kämpften Chemiefans zum ersten Mal gegen die Bullen, da ging es richtig zur Sache!“ In Cottbus hatte Stefan Meurer seinen Auftritt. Sie standen am Abend eines Spieles vor einer Disco und warteten auf Einlass, als ein Typ rauskam und sich damit brüstete, dass er Spieler von Energie Cottbus sei und er der Herr Mudra wäre. „Und da schob sich Stefan in den Weg und meinte ganz trocken, dass er der Herr Meurer von Chemie wäre und gab dem Typen ein paar auf die Mütze“, erzählt Schorsch lachend.

Dennoch ging die Post fast immer ab, wenn die „Engel“ irgendwo auftauchten. Auch vor ihrer eigenen Haustür geschahen wilde Sachen. Einmal wurde am Vorabend des 1. Mai in Böhlitz-Ehrenberg die Ehrentribüne für den Umzug abgefackelt und am Wasserturm fanden sich böse Losungen gegen die DDR. „Wir waren eben keine Kommunisten-Freunde“, stellt Bauleiter fest.

Trotz aller Unbotmäßigkeiten wollte die BSG Chemie die „Engel“ als Ordner gewinnen. Sie holte sich allerdings eine klare Abfuhr. „Wir haben nein gesagt, weil wir groß, stark und wild waren“, erzählt Amboß lachend. Er selbst war nie ein offizieller „Engel“, war aber fast immer dabei und von der Gruppe voll anerkannt: „Ich musste abends immer nach Groitzsch zurück, denn ich arbeitete als Schlosser im Kesselbau und später als Lkw-Fahrer auf Montage“.

 

KNAST

Ihr Standardlied war: „Doch einmal wird es anders sein, dann sperren wir die Bullen ein“…. Hintergrund des nicht ganz gesetzestreuen Textes: Es saßen öfters „Engel“ im Gefängnis. Becke, Fleischer und ein weiterer Fan bekamen jeweils ein Jahr, weil sie in Groitzsch bei einer Kneipenhauerei einem Hilfspolizisten den Knüppel und die Armbinde abgenommen hatten. Das bedeutete „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ und besondere Härte gegen die Schuldigen. Auch Borsdorf-Thommy und Stefan Meurer landeten wegen „Widerstand“ in Haft – letzterer allein drei Mal.

 

DDR

Kleo bringt es ohne Umschweife auf den Punkt: „Die DDR war ein rotes Tuch für uns!“ Die Gründe lagen für ihn in der Bevorzugung von Lok, sowie natürlich die allgemeinen Zustände. „Wir sind doch offenen Auges durch die Welt gegangen, haben vieles gesehen, das nicht im Einklang mit der offiziellen Propaganda stand. Und wie wir angefeindet worden sind wegen unserer langen Haare! Ich sollte auf der Arbeit ein Haarnetz tragen, und das als Baufacharbeiter! Alles Schikane…“, so Kleo.

Machti zerriss, als er seinen Einberufungsbefehl zur Nationalen Volksarmee erhielt, den Wisch auf offener Bühne in der Großen Eiche in Böhlitz-Ehrenberg. Er wollte lieber erst zum Aufstiegsspiel von Chemie beim FSV Lok Dresden fahren. Letztlich besann er sich und ging doch zur Sammelstelle, musste dort aber den etwas zerschundenen Zustand des amtlichen Papieres erklären.

Der Ärger hörte aber auch während seiner Armeezeit nicht auf. Als der Braune vom Fanclub seinen Polterabend feierte, bekam Machti Ausgang. Am nächsten Morgen wachte er irgendwo in Leipzig völlig verkatert wieder auf – und ging nicht zurück zur Kaserne. „Der Ausgang war schon um Stunden überzogen – Ärger stand also sowieso an“. Im „Klapsmann“ in Stahmeln, wie die Kneipe im Volksmund genannt wurde, soff man weiter, bis ihn die Feldjäger aufspürten und wegfingen. Zehn Tage Bau brachte ihm die Aktion ein, und er konnte froh sein, nicht im berüchtigten Militärgefängnis Schwedt gelandet zu sein.

 

FUSSBALL

Seit frühester Zeit spielte man auch Fußball. Sonnabends traf man sich in Leutzsch, hinter der Tribüne zog man sich im Freien um und kickte dann auf dem Hartplatz. Platzwart „Jacke“ Jackisch bekam immer mal einen Schein oder eine Flasche in die Hand gedrückt, somit war das Treiben geduldet. „Da gab jeder zwei Mark und fertig war die Laube“, erzählt Manney. Auch in die Halle gelangte man auf diese Art und Weise. Die BSG-Leitung wusste lange Zeit nichts davon.

Später übten die Chemie-Funktionäre Druck aus, um all das zu legalisieren. Versicherungsschutz war schon damals wichtig… Also meldete man sich offiziell bei der BSG Chemie unter dem Namen „Grüne Engel“ an, erhielt schicke Ausweise des „Deutschen Turn- und Sportbundes“ und entrichtete fortan treu und brav jeden Monat seinen Mitgliedsbeitrag bei der BSG Chemie. Und der Verein konnte wieder einige neue Mitglieder abrechnen, zu deren Gewinnung man sich im Rahmen des Turn- und Sportfestes offiziell und feierlich als Kampfauftrag bekannt hatte…

Nun wurden Trikots benötigt, „denn wir konnten ja nicht wie ein Karnevalsteam rumrennen“, so Egge. Also wurden Jerseys bestellt, von der Größe M bis zur XXL. Die Frage stand, wie man diese bedrucken lassen sollte. Gerade rechtzeitig hatte Andreas Körner ein Mädchen näher kennen gelernt, die in einer Druckerei am Sachsenplatz arbeitete. Er ging also hin und wollte das organisieren, wurde aber erst einmal mit vielen Fragen bombardiert. Wer ist der Auftraggeber? Hatte er genug Geld? Wer war alles dabei? Nach vielem Hin und Her nahm man den Auftrag an. Große Enttäuschung, als man die Dresse endlich abholte. Es fehlte das „Fanclub“, und aus „Grüne Engel“ war die Einzahl, „Grüner Engel“, geworden. „Garantiert war es da hinter den Kulissen hoch her gegangen“, vermutet Egge. Andreas Körner erinnert sich noch an die Begründung: „Man hat mir gesagt, es wäre nicht genügend Platz gewesen für das Wort Fanclub“.

Gespielt wurde oft und gern in den sogenannten „Fassspielen“ – natürlich um ein Fass Bier. Ein großes Fass kostete 100 Mark, und der Verlierer musste bezahlen. Intern gab es nach jedem Spiel noch ein Elfmeterschießen, und jeder, der seinen Schuss nicht im Tor unterbrachte, musste fünf Mark bezahlen. So ging es des Öfteren nach Groitzsch, Gera und Aue, und natürlich wurde das Fass nach dem Spiel auch gleich ausgeleert. Einmal fuhren einige große Lkw mit Schneeschieber die langhaarigen angedüdelten Chemiker nach Hause. Manney hatte seine Kontakte zum Kraftverkehr wieder spielen lassen, wo er zum Winterdienst abkommandiert worden war… Aue war der Standardgegner, denn zu den „Veilchen“ pflegte man besonders enge Kontakte. Aller halben Jahre traten die „Engel“ gegen die „Veilchen“ an, geschlafen wurde in den Wohnungen der Auer Eltern. „Das ging los, als Chemie 1983 in Aue 2:5 verlor. Wir haben uns dann in Nichttrinker und Trinker geteilt, und die Nichttrinker bzw. die, die nicht so viel vertrugen, mussten ins Hotel nach Schneeberg. Die anderen pennten in Aue“, erzählt Manney. Gespielt wurde immer in Lößnitz. Über eines aber wundert sich der ehemalige Torsteher der „Engel“ noch immer: „Was die weggeschluckt haben, war unglaublich – da waren sogar wir Waisenknaben dagegen!“

In der Stammkneipe „Schöpke“ gab es ja gleich zwei Chemie-Stammtische. Am runden Tisch saß Connewitz, und an der langen Tafel die „Engel“. So wurden auch gleich in der Kneipe Spiele ausgemacht, und wie so oft spielte man um die gesamte Zeche.

Um die Weihnachtszeit organisierten die „Engel“ ihr eigenes Hallenturnier, welches in Grünau in einer Sporthalle ausgetragen wurde.

Öfters ging es auch nach Dahnsdorf bei Niemegk, wo „Trainingslager“ abgehalten wurden. Es kam also vor, dass nach Kneipenschluss in Leipzig ein Taxi (!) gechartert wurde, mit dem man zum Saufen in den Dorfkrug nach Dahnsdorf fuhr. „Wir standen da manchmal nachts vor der Tür, klopften, bis der Kneiper aufmachte und dann ging es los“, erinnert sich Bauleiter. Es kam zu durchaus chaotischen Szenen, wenn der örtliche Schweinezüchter-Brigadier rotzbesoffen auf einer Schubkarre durch das gesamte Dorf gefahren wurde, was zu Krisensitzungen der Verantwortlichen führte, welche die gesamte Produktion in Gefahr sahen. Natürlich wurde auch Fußball gespielt…

Dreimal nahmen die „Engel“ an einem Turnier in Schaala teil. Über Kontakte von Andreas Körner, der als Sandstrahler auf Montage arbeitete, kam der Kontakt zustande. „Drei Tage haben wir mit denen gekämpft“, lacht Körner noch heute. „Das ganze Dorf war auf den Beinen, für die war das ein echtes Großereignis, wenn wir kamen“. Neben dem Fußball wurde auch die örtliche Destille besichtigt, wo der gute „gelbe Köstliche“ hergestellt wurde, ein wohlschmeckender Apfelwein. So war auch immer für Nachschub für die stets durstigen Kehlen gesorgt. Auf der Rückfahrt stieg man in Naumburg aus, wo weiter getrunken wurde, und weil es immer noch nicht genug war, fuhr man mit dem Taxi nach Leipzig in die „Hoffnung-West“, und als auch dort Schluss war, ging es noch zum Braunen nach Hause und am nächsten Tag zum Frühschoppen in die „Drei Rosen“. „Das waren echte Trinkerfestspiele, das hat uns weitaus mehr angestrengt als das bisschen Fußballgespiele“, lacht Manney.

Nach der Wende, als viele „Engel“ nach Mönchengladbach und Umgebung gingen, spielte man als „SV Mannesmann“ weiter. Ein Sponsor sorgte für den ungewohnten Namen. Der Spaß aber blieb der Gleiche.

 

HOLLAND-CONNECTION

Als Holland 1979 im Zentralstadion gegen die DDR-Nationalmannschaft spielte, saßen vier „Engel“ im Block der Gästefans: Manney, Kleo, Thommy und Uli. „Die Ostzone führte schon zwei zu null, wir wollten schon abhauen, dann drehten die Holländer das Spiel und gewannen 3:2. Wir gratulierten den Holländern, und die luden uns auf ein Bier ein“, erinnert sich Manney. Man landete in der damaligen Stammkneipe „Hoffnung West“, und eine Freundschaft ward geboren. Immer mal wieder besuchte ein Holländer die Stadt, man traf und tauschte sich aus. Bereits 1980 landete der Holländer Leo mit seiner Frau wieder in Leipzig, und 1985 feierte man den 5. Jahrestag der Freundschaft drei Tage lang mit jeder Menge „geistiger Getränke“ – die legendäre Marke „Hörnerbräu“ entstand da. „Die kriegt man, wenn man Bockbier und Schnaps zusammen trinkt“, grinst Manney. Wiederholt versuchte er seinerseits, nach Holland zu gelangen, doch die Behörden lehnten seine Anträge immer wieder ab. Erst nach der Wende kam es zum Besuch in Holland, am 22.12.1989. Zuvor aber hatte man noch – gut verborgen vor den Augen der Staatsmacht – das 10jährige Jubiläum der Freundschaft in Leipzig gefeiert – 14 Tage vor der Maueröffnung. „Wir waren immer noch vorsichtig, obwohl alles im Umbruch war, es durfte trotzdem niemand etwas wissen“, sagt Manney. Die Freundschaft besteht bis zum heutigen Tag.

AUSREISE

Ab 1987 gingen viele „Engel“ in den Westen. Der erste war im Jahr 1981 Stefan Meurer, der aus dem Gefängnis direkt nach Westberlin kam, nachdem er freigekauft worden war. Lohse, Körner, Machti, Egge, Kiwi, der Schwarze und der Braune, beide Paschlis, Asche Kurt und der Bauleiter folgten. „Die Unzufriedenheit war einfach bis ins Unermessliche gewachsen, da haben sich viele gesagt: jetzt ist Schluss“, erklärt Uli. Egge durfte nach vier Jahren Wartezeit im Januar 1989 ausreisen. Er hatte noch im Knast gesessen, weil er den Reservedienst in der Volksarmee verweigert hatte: „Es sind fast alle ausgereist damals, drei Viertel waren doch schon weg. Wir haben uns schon gefragt, ob wir nicht den Stammtisch mitnehmen wollen“. Doch auch das Kneiper-Ehepaar Schöpcke hatte sich längst abgesetzt, nach Süddeutschland.

Die „Engel“ gingen – aber blieben dennoch zum größten Teil zusammen. Etliche siedelten sich im ersten großen Quartier in Mönchengladbach an, in der Salierstraße, wo man sukzessive immer Platz für die nachfolgenden „Engel“ bereitstellte. Einige landeten auch in Leverkusen und Köln, einer lebt in Stuttgart. Für Manney kam eine Ausreise nicht in Betracht: „Ich hatte zwar darüber nachgedacht, aber ich hatte einen Onkel von 89 Jahren, den wollte ich nicht allein zurück lassen. Dann lernte ich meine Karin im Krankenhaus kennen, da hab ich das dann verpasst“.

 

STASI

„Wir hatten immer den Eindruck, dass ein IM dabei gewesen sein musste bei uns, aber wir haben nie rausbekommen, wer das war“, sagt Uli. Eine Merkwürdigkeit, die allerdings nur ein einziger „Engel“ mitbekam, liefert ein Indiz. Ein Indiz, das damals aber nicht zu verstehen war.

Peter Lohse schmiedete seinerzeit intensive Fluchtpläne, um in den Westen abzuhauen. Er studierte damals Verfahrens-Ingenieurwesen, und überlegte gemeinsam mit Fanclub-Mitglied Jürgen H., über Ungarn den Weg in die Freiheit zu finden. „Das war ganz naiv, aber wir sprachen seinerzeit sehr viel darüber und machten uns echt Gedanken“, erzählt Peter. Dann kam das Spiel Chemies gegen den BFC, als Stasi-Minister Mielke auf der Leutzscher Tribüne saß und von den Fans wüst beschimpft wurde. „Auch Jürgen und ich wetterten gegen den, dazu noch der Braune. Wir brüllten: ‚Mielke Du Schwein!‘ Irgendwann wurde Jürgen dann verhaftet“, erinnert sich Lohse. Man behielt ihn ein, zwei Tage in Haft, ehe er wieder freigelassen wurde. „Danach war er so komisch und druckste nur noch so herum, und er wollte von unseren Plänen nichts mehr wissen. Allein wollte ich nicht abhauen, also verabschiedete ich mich von dem Gedanken“, so Lohse. Er wählte den sicheren Weg und stellte den Ausreiseantrag.

 

Was während der Verhaftung von Jürgen H. geschah, ist in der nachfolgenden Stasi-Akte nachzulesen.

 

Aus dem BStU-Archiv

Reg.-Nr. XIII 863/84

 

Bezirksverwaltung Leipzig

AG Aktionen und Einsätze                                                                 Leipzig, 15. 12. 1985

 

Der VIM geriet während des Oberliga-Punktspieles BSG Chemie Leipzig – BFC Dynamo am 24.3.84 in das Blickfeld der Schutz- und Sicherheitsorgane.

 

Im angetrunkenen Zustand provozierte er Ordnungskräfte und verstieß gegen die Stadionordnung. Durch Mitarbeiter der BV des MfS wurde er zugeführt und durch die V mit Ordnungsgeld abgestraft.

Im Rahmen der Befragung durch Mitarbeiter des MfS erfolgte im Zuführungspunkt durch unterzeichnenden Mitarbeiter eine legendierte Kontaktaufnahme.

Durch eingeleitete Überprüfungen und Ermittlungen wurde bekannt, daß der VIM zum „harten Kern“ des negativ-dekadenten Fußballanhangs der BSG Chemie Leipzig gehört und an Veranstaltungen im sozialistischen Ausland (Schwarzbierfest) teilnimmt.

Der VIM ist aktives Mitglied des Fußballfanclubs „Grüne Engel“. Mitglieder dieses Fanclubs und er selbst unterhalten umfangreiche postalische und persönliche Verbindungen zu ehemaligen DDR-Bürgern, die jetzt in der BRD bzw. Westberlin leben. Zwischen diesen Kontaktpersonen finden zahlreiche Treffs im sozialistischen Ausland statt.

Der VIM besitzt umfangreiche Kenntnisse über andere operativ-relevante Fußballclubs der BSG Chemie und über operativ-relevante Personen unter dem Kreis der Übersiedlungsersuchenden.

Motiv für seine Zusammenarbeit mit dem MfS ist in erster Linie sein Wille zur Wiedergutmachung für sein Verhalten während Fußballspielen und im folgenden die Befürchtung einer Dekonspiration seines Kontaktes zum MfS in seinem Freundes- und Bekanntenkreis.

Die umfangreichen Erläuterungen des Unterschiedes zwischen einem „Spitzel“ und einem Bürger der DDR, der die Schutz- und Sicherheitsorgane aktiv unterstützt, brachten bei ihm erste Erkenntnisse und Veränderungen in seinen Denk- und Verhaltensweisen.

Der VIM erschien zu den vereinbarten Zusammenkünften mit dem Mitarbeiter pünktlich bzw. nahm im Verhinderungsfall von sich aus telefonisch Verbindung auf.

Gegebene Hinweise und Informationen seinerseits waren überprüfbar, entsprachen aber nicht immer dem vollständigen Erkenntnisstand des VIM.

Konkrete Angaben zu Personen mußten mitunter in längeren Gesprächen erarbeitet werden. Dabei wurde stets seine Befürchtung vor einer möglichen Dekonspiration sichtbar.

Im Verlauf der Zusammenarbeit gibt es keine Hinweise auf Bruch seiner Schweigepflicht.

Das Bekanntmachen und die Übergabe an den Stellvertretenden Leiter der KD Leipzig-Stadt, Genossen Major Polster, verlief ohne Probleme.

Als Grund für den Mitarbeiterwechsel wurde ein verändertes Aufgabengebiet des unterzeichnenden Mitarbeiters dargestellt.

Strenger

Hauptmann

Somit entwickelte sich eine Zusammenarbeit zwischen einem Mitglied der „Grünen Engel“ und dem Ministerium für Staatssicherheit. Es folgen einige Protokolle aus dem Bestand der Staatssicherheit, die heute im BStU verwahrt wird.

 

 

Aus dem BStU-Archiv

Reg.-Nr. XIII 863/8

4

 

AG Op. Aktionen und Einsätze                                                          Leipzig. 7. 5. 1984

 

Bericht

 

Planmäßig fand mit der Kontaktperson „Bart“ am heutigen Tage eine Zusammenkunft in einem Treffzimmer des Messegeländes statt. Die Kontaktperson berichtete von dem Besuch des Schwarzbierfestes in Prag. Gemeinsam mit vier anderen Mitgliedern des Fan-Clubs der BSG Chemie Leipzig „Grüner Engel“ reist er am 19. 4. 84 mit einem Nachtzug in die Hauptstadt der CSSR. Am 20. (Karfreitag) fand in der Schwarzbiergaststätte „U Fleku“ ein Zusammentreffen zwischen diesen Mitgliedern des Fan-Clubs und ehemaligen Mitgliedern, die heute Bürger der BRD sind (bzw. Westberlin) statt.

Aus Westberlin waren mit dem PKW angereist der (Name geschwärzt) und (Name geschwärzt). Bei (Name geschwärzt) handelt es sich um einen Jungerwachsenen, (Name geschwärzt) war ebenfalls ehemaliger DDR-Bürger. (Geschwärzt) Bei dem Treffen in der Schwarzbiergaststätte „U Fleku“ nahm auch ein CSSR-Bürger teil. Dieser hat enge persönliche und postalische Kontakte  zu (Name geschwärzt) und (Name geschwärzt). Beide hatten bei ihm auch Quartier bezogen. Namentlich ist der CSSR-Bürger der Kontaktperson nicht bekannt, er versucht bei künftigen Gesprächen die Personalien des CSSR- Bürgers zu erarbeiten. Bei Gesprächen in der Schwarzbiergaststätte konnte die Kontaktperson feststellen, daß anläßlich des Oberliga-Punktspieles BSG Chemie Leipzig gegen Union am 19. Mai Mitglieder von Westberliner Fan-Clubs der Mannschaft „Herta BSC“, die engen Kontakt zu dem Anhang des 1. FC Union unterhalten, plane mit in Leipzig anzureisen.

 

Die Kontaktperson gab sehr zögernd Antwort auf die Fragen, wer dieses Treffen in Prag organisiert hatte bzw. ob es ein Austausch von Abzeichen, Wimpeln bzw. Zeitschriften gab. Nach einigem Überlegen informierte er, daß (Name geschwärzt) den (Name geschwärzt) (Spitzname: geschwärzt) – siehe Anlage – einen Aufnäher übergeben hat, wo das Territorium der Stadt Berlin schemenhaft umrissen ist, quer durch das Territorium geht ein Stacheldraht, links ist die Bezeichnung Westberlin und „Hertha BSC“, rechts ist die Bezeichnung Ostberlin und 1. FC Union. Darunter steht geschrieben „Freunde zwischen Stacheldraht“.  Die Kontaktperson konnte diesen Aufnäher beim (Name geschwärzt) in der DDR nicht wieder feststellen. Er ist nicht informiert, ob (Name geschwärzt) diesen Aufnäher behalten hat bzw. weitergegeben hat.

 

Die Kontaktperson schätzt ein, daß alle Mitglieder des Fan-Clubs „Grüne Engel“, die an diesem Tag in Prag weilten, betrunken waren. Am Abend des 20. April fuhren sie von Prag wieder ab und zwar mit einem Zug nach Karl-Marx-Stadt und wollten den Oberliga-Punktspiel Karl-Marx-Stadt – Chemie Leipzig beiwohnen. Der Grenzübertritt in die DDR verlief ohne Kontrolle und problemlos.

 

Ergänzend informierte die Kontaktperson, daß bei ihrem Aufenthalt in der Schwarzbiergaststätte sie Kontakt zu jugendlichen BRD-Bürgern hatten. Im Gespräch entstand die Idee, einen Fußballvergleich auf der Sportanlage der BSG Chemie Leipzig durchzuführen zwischen dem Fan-Club „Grüne Engel“ und Jugendlichen aus der BRD. Namentlich ist bekannt, der (Name geschwärzt) ca. 28 Jahre alt – (geschwärzt) liegt in der Nähe von München. Diese jugendliche Gruppierung aus der BRD waren Sympathisanten von Bayern München. Die Kontaktperson versprach dem (Name geschwärzt) postalischen Kontakt aufzunehmen und einen möglichen Termin (es wurden die Tage der Leipziger Herbstmesse 1984 in Erwägung gezogen) ihm mitzuteilen.

 

Die Kontaktperson war nicht bereit, von sich aus zu informieren, wer mit ihm gemeinsam in Prag zum Schwarzbierfest weilte. Diese Einstellung resultiert aus seinen Befürchtungen, daß Freunde von ihm von der Zusammenarbeit bzw. von dem Kontakt zu dem Sicherheitsorgan erfahren und ihn als Spitzel oder Achtgroschenjungen abstempeln.

In der künftigen Zusammenarbeit liegt ein Schwerpunkt der Erziehung bei der weiteren politisch-ideologischen Beeinflussung der Kontaktperson und der Durchsetzung und Erreichung des Verständnisses, daß die Unterstützung des Sicherheitsorgans nichts mit Spitzeldiensten zu tun hat. Bei bestimmten Fragen erkennt die Kontaktperson die Notwendigkeit der Arbeit des MfS, ihm gelingt es aber noch nicht immer, einen Bezugspunkt zwischen seiner Informationstätigkeit und dieser Notwendigkeit herzustellen. Ausgehend von der politisch-ideologischen Einstellung der Kontaktperson ist dies subjektiv und objektiv auch gar nicht möglich. (geschwärzt)

 

Maßnahmen:

(geschwärzt)

Einleitung einer Kontrolle der Kontaktperson in der Abt. M der BV Leipzig.

 

Strenger, Hptm.

 

 

Leipzig, den 18.6.84

 

Bericht – VIM „Bart“

 

Der VIM erschien pünktlich am vereinbarten Treffort. Er informierte, daß er aufgrund familiärer Probleme wenig Zeit hat und bat darum, das Gespräch auf ca. 1 Std. zu beschränken. (Geschwärzt)

 

Zu Beginn des Treffs wurde über die z. Z. stattfindende Europameisterschaft im Fußball gesprochen, wobei aus der Meinung des VIM erkennbar ist, daß seine Sympathien der BRD-Mannschaft gelten.

Gegenwärtig plant „Bart“ seinen persönlichen Tagesablauf nach den Fernsehübertragungen der Fußballeuropameisterschat. Mit seinen Freunden vom „Fan-Club Grüne Engel“ spielte er über Pfingsten bei einem Volkssportturnier in Leipzig mit. Anschließend wurde wie immer bei viel Alkohol über politische und sportliche Probleme diskutiert (Nichts operativ auswertbares!).

Durch den OM befragt, ob der (Name geschwärzt) vom Fan-Club der (geschwärzt) (Spitzname) ist, berichtigte „Bart“ – (geschwärzt).

Mit (Name geschwärzt) will der VIM über das bevorstehende Spiel Bohemia Prag – Borussia Mönchengladbach sprechen, informieren wann das Spiel ist und ob Mitglieder des Fan-Clubs planen, nach Prag zu reisen.

 

Nächster Treff: 2. 7. 84  14 Uhr Megu

 

Strenger Hptm.

 

 

AG Op. Aktionen und Einsätze                                                          Leipzig, 2. Juli 1984

 

Aussprachebericht

 

Am heutigen Tage fand durch unterzeichneten Mitarbeiter und dem VIM „Bart“ eine Zusammenkunft im Treffzimmer Messehelle 7 statt.

Zu Beginn des Gespräches wurden allgemeine Informationen über den Verlauf der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich ausgetauscht. Der Mitarbeiter konnte feststellen, daß „Bart“ intensiv sich über die Fußballspiele im DDR-Fernsehen und BRD-Fernsehen informiert.

 

Schwer enttäuscht ist „Bart“ vom Ausscheiden der BRD-National-Mannschaft, da er auf diese Mannschaft hält und vor den Europameisterschaften der Annahme war, daß „Deutschland“ Europa-Meister wird. Gleichzeitig gesteht er aber ein, daß die BRD-Nationalmannschaft weit von ihrer Spitzenform der letzten Jahre entfernt ist. Eindeutig wäre dies ein Verschulden des Trainers Jupp Derwall. In diesem Zusammenhang informiert der VIM, daß er jede Gelegenheit, die sich ihm bietet, die BRD-Nationalmannschaft persönlich spielen zu sehen, nutzen würde, um Reisen in das sozialistische Ausland

zu unternehmen, z. B. Budapest oder Bukarest.

 

Ausgehend von einer Aufgabenstellung des heutigen Treffs informierte der VIM, wer mit ihm gemeinsam anläßlich des Schwarzbierfestes in Prag war. Er Berichtete, daß die Mitglieder des Fan-Clubs „Grüne Engel“ (Name geschwärzt):- Spitzname des (Name geschwärzt) – (Name geschwärzt) : – Spitzname des (Name geschwärzt) – (Name geschwärzt).

: – Spitzname des (Name geschwärzt) – (Name geschwärzt) : – Spitzname des (Name geschwärzt)  und Schwarzer: Spitzname des H., Jürgen, in Prag zum Schwarzbierfest weilten.

Gleichzeitig mit der Preisgabe dieser Namen bat der VIM um höchste Konspiration, da er befürchtet, wenn seine Gruppenmitglieder erfahren, daß er Kontakt zum Sicherheitsorgan unterhält, ihn aus der Gruppe ausschließen bzw. anders verurteilen.

 

In diesem Zusammenhang informierte der VIM, dass viele Gruppenmitglieder denken, daß (Name geschwärzt) – Spitzname des (Name geschwärzt) Kontakt zur Staatssicherheit hat oder zur Polizei. Der Kontakt begründet sich darauf, daß er in der Vergangenheit oftmals bei .Konfrontationen von Mitgliedern des Fan-Clubs bei der VP umfassend informiert war und von sich aus der VP Namen und Ereignisse übergab bzw. darüber berichtete.

Da es aber keine konkreten Hinweise für eine Zusammenarbeit des mit der VP oder dem MfS gibt, wird er gegenwärtig noch in Fan-Club „Grüner Engel“ geduldet.

 

Im Gespräch informierte „Bart“, daß er noch keinen Kontakt zu dem Münchener Bürger (Name geschwärzt) aufgenommen hatte (siehe dazu Aussprachebericht vom 7. 5. 1984). Der Gedanke, daß eine Auswahl des Fan-Clubs „Grüner Engel“ gegen diese BRD-Bürger spielt, ist jedoch weiterhin existent. Gleichzeitig informierte der VIM, daß der CSSR-Bürger, der (Name geschwärzt) und (Name geschwärzt), während ihres Aufenthaltes in Prag beherbergte, Mitglied der Gruppe „Prager Frühling“ gewesen sein soll oder noch ist. (geschwärzt)

 

Maßnahmen:

– Überprüfung des (geschwärzt) in den Speichern MfS und VP zwecks Feststellung, ob dieser Kontakt zu den Sicherheitsorganen besitzt

 

Strenger, Hptm.

 

 

AG Op. Aktionen und Einsätze                                                          Leipzig, 1. 8. 1984

 

Aussprachebericht

 

Planmäßig wurde am heutigen Tage der VIM „Bart“ in die IMK „Gabriele“ eingeführt. Es wurde vereinbart, daß er zum vereinbarten Treffzeitpunkt sich Ober die Sprechanlage meldet und fragt, ob Dieter anwesend ist. Sollte sich niemand melden, wartet er 15 Minuten und versucht erneut Kontakt durch die Sprechanlage aufzunehmen. Sollte aus objektiven Gründen ein Treff nicht zustande kommen, so sucht „Bart“ von sich aus telefonischen Kontakt zum Mitarbeiter.

Mit diesen Regelungen war der VIM einverstanden.

 

Während des Treffs informierte der VIM, daß das Mitglied des Fan-Clubs „Grüner Engel“ (Name geschwärzt) als (geschwärzt) in (geschwärzt) arbeitet. (Name geschwärzt) ist Fan der BRD-Bundesliga-Mannschaft Mönchengladbach und reist bei Spielen der BRD-Mannschaft im sozialistischen Ausland als Fan an. Dabei versucht er, bestehende Kontakte zu Spielern bzw. Mannagern auszubauen. So plant er, zu den Spielen im Rahmen des Toto-Cups nach Prag bzw. des UEFA-Cup nach Banska-Bystrica zu fahren.

 

Aus persönlichen Gründen (Urlaub) ist es dem VIM nicht möglich, anläßlich der Motorrad-Euopameisterschaft „Grand Prix“ Brno in die CSSR zu reisen. Dadurch kommt es nicht zum geplanten Einsatz des VIM während des „Grand Prix“ in Brno.

 

Die nächste Zusammenkunft mit dem VIM ist für den 31. 8. 1984, 11.00 Uhr, in der IMK „Gabriele“ vorgesehen.

 

Strenger, Hptm.

 

 

 

Bezirksverwaltung Leipzig                                         Leipzig, 1. 9. 1984

AG Operative Aktionen und

Einsätze

 

Bericht

über die Zusammenkunft mit dem VIM „Bart“

 

Der VIM berichtete am 31. 8. 1984 über eine Vorladung seines zuständigen ABV’s, Ultn. Thurm (ABV-Zimmer Tachostr.), wo ihm ein Schreiben der Kriminalpolizei vorgelegt wurde, in dem er aufgefordert wird, bei Heimspielen der BSG Chemie Leipzig dem zuständigen ABV mitzuteilen, wo er sich während der Dauer des Spieles befindet. Der VIM hat bekanntlich bis 31. 12. 1984 Platzverbot für den Sportplatz – Georg-Schwarz-Sportpark. Sollte er keine glaubhaften Angaben über seinen Aufenthalt machen, wird er laut Angaben des VIM bei künftigen Heimspielen in „Schutzhaft“ genommen. Diese Festlegung soll durch die K VIII getroffen worden sein. Der VIM wird sich entsprechend der Absprache mit dem zuständigen operativen Mitarbeiter an diese Festlegung halten.

 

Seit Mitte August wird auf den Sportplätzen des Georg-Schwarz-Sportparkes wieder die Fanklubmeisterschaft der BSG Chemie Leipzig ausgespielt. Als Organisator für die Spielansetzungen tritt dabei das Mitglied des Fanklubs „Leipzig West“   F u g e   in Erscheinung. Dem VIM ist bekannt, daß an der Meisterschaft Mitglieder der Fanklubs „Grüne Engel“, „Fanklub West“, „Grün-Weiße Treue“ sowie ein Fanklub, dessen Mitglieder in der Nähe des Cafés „Petersteinweg“ wohnen, teilnehmen.

 

Vor dem Oberligapunktspiel BSG Chemie Leipzig gegen BSG Wismut Aue ist ein Spiel von Fanklubs der beiden Oberligavertretungen auf der Sportplatzanlage der BSG Chemie Leipzig geplant. Hinweise zu Fußballvergleichen mit Mannschaften aus der BRD sind dem VIM nicht bekannt.

 

Zum Europacupspiel Banska Bystrica gegen Borussia Mönchenglasbach am 19. 9. 1984 reisen eine Reihe Chemiefans, die dem VIM bekannt sind. Aus dem Fanklub „Grüner Engel“ sind dies u. a. (Name geschwärzt) (absoluter Fan von Mönchengladbach), (Name geschwärzt) und (Name geschwärzt).

In diesem Zusammenhang informierte „Bart“, daß mit hoher Wahrscheinlichkeit der Fanklub geschlossen am 1. Mai 1985 in die CSSR zum WM-Qualifikationsspiel CSSR gegen BRD fahren wird. Eintrittskarten wollen sie sich über ihre Kontaktpersonen in der BRD besorgen. Zwischen dem VIM und dem operativen Mitarbeiter wurde abgesprochen, daß „Bart“ postalische Verbindung zu dem Bekannten (Name geschwärzt)  (Westberlin) aufnimmt, um Informationen über geplante Reisen von BRD/Westberliner-Fanklubs zu diesem Spiel zu erhalten.

 

Informationen über geplante Reisen zum Europacupspiel Sofia – VfB Stuttgart am 19. 9. 84 in Sofia liegen nicht vor.

 

Der VIM informierte, daß der (Name geschwärzt)  (Gemeinsame Zuführung am 15. 3. 84 bei Chemie gegen BFC) den Antrag auf Übersiedlung gestellt hat. Er soll als (geschwärzt)  in Leipzig-Ost arbeiten. (geschwärzt)

 

Zu seiner eigenen Person berichtete der VIM, daß er seit einigen Wochen eine feste Freundin hat und plant, diese möglicherweise zu heiraten. Es handelt sich hierbei um (Name geschwärzt) .

 

Jedes 2. Wochenende fährt er seit Anfang Juli zu seiner Freundin nach (geschwärzt). Bei Eheschließung ist als gemeinsamer Wohnsitz Leipzig vorgesehen.

 

 

Maßnahmen

 

  • Auswertung der Informationen mit der KD Leipzig/Stadt.
  • Einleitung von Überprüfungshandlungen zur Freundin (geschwärzt)
  • Erarbeitung einer vollständigen Übersicht – Mitglieder des Fanklubs „Grüner Engel“.

Als nächste Zusammenku

nft wurde der 14. 9. 1984, 14.00 Uhr, IMK „Gabriele“ vorgesehen.

 

Strenger

Hptm.

 

 

 

 

AG Op. Aktionen und Einsätze                                              Leipzig, 25. 10. 1984

 

B e r i c h t

 

Am 5. 10. 1984 fand 15.00 Uhr in der IMK „Gabriele“ planmäßig eine Zusammenkunft mit dem VIM „Bart“ statt.

 

Der VIM übergab die Spielansetzungen der 2. Fan-Club-Meisterschaft der BSG Chemie Leipzig.

 

Zu seinem Fan-Club, den „Grünen Engeln“ berichtete er, daß im Rahmen der Fan-Club-Meisterschaft besonders der (Name geschwärzt) wh. 7042 Leipzig (geschwärzt) (mit Spitznamen: geschwärzt) stark engagiert ist. (Name geschwärzt) war auch mit den anderen Mitgliedern (Name geschwärzt) wh. 7050 (geschwärzt) und (Name geschwärzt) wh. 7030 (geschwärzt) in Branska-Bystrica zum Europa-Cup-Spiel.

 

Der VIM informierte, daß der Fan-Club vom 19. – 21. 10. 84 in ein sogenanntes Trainingslager nach Dahnsdorf Krs. Belzig fahren will. Organisiert hat dieses Trainingslager der (Name geschwärzt)  und der (Name geschwärzt) .

 

Das Mitglied des Fan-Clubs (Name geschwärzt) hat gute Kontakte zu dem CSSR-Bürger (Name geschwärzt) wh. Prag, der angeblich Mitglied der Charta 69 sein soll. Über den (Name geschwärzt) werden in Prag die Treffen mit den BRD-Bürgern organisiert.

 

Der VIM versucht, von dem Fan-Club „Die Sorglosen“ eine Übersicht zu beschaffen, aus der ersichtlich wird, wer die Verantwortlichen der einzelnen Fan-Mannschaften sin

d, wo diese wohnen und auf welchen Sportplätzen die Fußballvergleiche stattfinden.

 

Im Rahmen des Treffs wurden mit „Bart“ verschiedene politische Grundfragen diskutiert. Aus seiner Haltung ist ersichtlich, daß er vorwiegend aus Abenteuerlust (Reisen in fremde Länder) mit den Gedanken spielt, Antrag auf Übersiedlung in die BRD zu stellen. Da er jedoch gegenwärtig eine feste Freundin hat, die in (geschwärzt) wohnhaft ist, (konkrete Anschrift will er beim nächsten Treff übergeben) und er auch mit dem Gedanken spielt, diese Freundin zu heiraten, bestehen gegenwärtig keine ernsthaften Absichten bezüglich einer Übersiedlung.

 

Der nächste Treff mit dem VIM wurde für den 18. 10. 1984 in der IMK „Gabriele“ geplant.

 

Maßnahmen:

 

  1. Information – Ansetzung der 2. Fan-Club-Meisterschaft an KD Leipzig Stadt

 

  1. Information – Trainingslager des Fan-Clubs „Grüner Engel“ in Dahnsdorf Krs. Belzig an zuständige DE der BV Potsdam

 

Strenger

Hptm.

 

 

 

 

AG Op. Aktionen und Einsätze                                              Leipzig, 25. 10. 1984

 

B e r i c h t

Am 18. 10. 1984 fand planmäßig 14.30 Uhr ein Treff mit dem VIM „Bart“ in der IMK „Gabriele“ statt.

 

Der VIM informiert, daß die Mitglieder des Fan-Clubs „Die Sorglosen“ Jugendliche und Jungerwachsene sind, die in der Nähe des Petersteinweges 7010 Leipzig wohnhaft sind. Zu diesem Fan-Club gehört (Name geschwärzt). Bei Heimspielen der BSG Leipzig befinden sich die Mitglieder des Fan-Clubs auf den Damm-Sitzplätzen. Sie tragen Armbinden bzw. Aufnäher mit der Aufschrift „Die Sorglosen“ an ihrer Kleidung.

 

Jeden Donnerstag find

en sich die Mitglieder des Fan-Clubs „Grüner Engel“ in der Gaststätte „Schöpke“ 7030 Leipzig, Nähe Wiedebachplatz ein.

 

Zu dem geplanten Trainingslager in Dahnsdorf informiert der VIM ergänzend, daß ca. 16 Mitglieder des Fan-Clubs mitfahren und die gemeinsame Anreise mit dem Zug erfolgt. Am 19. 10. 84 treffen sich alle Mitglieder bei (Name geschwärzt).

 

Der VIM wurde durch unterzeichneten Mitarbeiter nochmals darauf hingewiesen, daß es nicht im Interesse des Fan-Clubs liegt, wenn sie während ihres Aufenthaltes in Dahnsdorf gegen die öffentliche Ordnung und Sicherheit verstoßen. Er soll seinen ganzen Einfluß geltend machen, daß keine Provokationen oder sonstigen Vorkommnisse zu verzeichnen sind.

Der VIM informierte, daß 1983 ein gleichgelagertes Trainingslager in Trusetal stattgefunden hat, wo es keine Probleme hinsichtlich der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gab.

 

Der nächste Treff mit dem VIM wird am 25. 10. 84, 14.00 Uhr, in der IMK „Gabriele“ stattfinden.

 

Maßnahmen:

Information betr. Fan-Club „Die Sorglosen“ an KD Leipzig-Stadt

 

Zum Europa-Cup-Spiel 1. FCL – Spartak Moskau gibt es keine Hinweise, daß Mitglieder des Fan-Clubs von Chemie Leipzig dieses Spiel besuchen wollen.

 

Strenger

Hptm.

 

 

 

 

AG Op. Aktionen und Einsätze                                              Leipzig, 30.10.1984

 

B e r i c h t

 

Am heutigen Tage fand planmäßig 11.00 Uhr eine weitere Zusammenkunft mit dem VIM „Bart“ statt.

Der VIM berichtete über das am Wochenende – 19. bis 21. Okt. – in Dahnsdorf Krs. Belzig durchgeführte Trainingslager des BSG Chemie-Fan-Clubs „Grüne Engel“.

Er informierte, daß alle 15 Mitglieder, die gegenwärtig aktiv an allen Spielen der Fan-Club-Meisterschaft der BSG Chemie Leipzig teilnehmen, zum Trainingslager anreisten. Die Anreise erfolgte gegen Mittag im Gasthof Dahnsdorf, nachmittags wurden ca. 2 Stunden auf dem nahegelegenen Fußballplatz trainiert und abends in der Gaststätte Dahnsdorf ein Sportlerball durch den Fan-Club organisiert. Sonnabend Vormittag war Alkoholverbot, nachmittags war ein Freundschaftsspiel gegen eine Auswahl Jugendlicher/Jungerwachsener von Dahnsdorf (das Spiel wurde 6:0 verloren) und am Abend nahm der Fan-Club geschlossen an einer Jugenddiskothek im Gasthof Dahnsdorf teil.

Nach Einschätzung des VIM waren keine Störungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verzeichnen.

 

Ein Gesprächsthema der Mitglieder des Fan-Clubs war das am 1. Mai in der CSSR stattfindende WM-Qualifikationsspiel im Fußball CSSR gegen BRD. Die Mitglieder des Fan-Klubs schätzen ein, da ihnen aus ihrem Arbeits- und Bekanntenkreis schon bekannt ist, dass viele Jugendliche/Jungerwachsene u. a. Personen aus Leipzig planen, in die CSSR zu reisen, daß mit ca. 5000 Fans aus der DDR bei diesem WM-Qualifikationsspiel in Prag oder Bratislava zu rechnen ist. Die Mitglieder des Fan-Clubs „Grüner Engel“ beabsichtigen, sich vor dem Spiel entweder über ihre Kontaktpersonen in der BRD/Westberlin Eintrittskarten für dieses Spiel zu organisieren oder über Deckadresse an den Deutschen Fußballbund der BRD zu schreiben und Eintrittskarten zu bestellen. Als Wortführer bzw. Organisator trat dabei der (Name geschwärzt) in Erscheinung.

Dem VIM ist bekannt, daß neben den Mitgliedern des Fan-Clubs „Grüner Engel“ weiterhin die Fan-Clubs „Die Sorglosen“ und „FC West“ eine Fahrt nach Prag planen. Nähere Angaben zu der erwähnten Deckadresse sind dem VIM nicht bekannt.

 

Der VIM „Bart“ brachte zum heutigen Gespräch das beiliegende Farbfoto mit. Dieses Bild wurde auf dem Hauptbahnhof Budapest im Sept. 1983 aufgenommen, als Mitglieder des Fan-Clubs „Grüner Engel“ anläßlich des Länderspiels VR Ungarn gegen BRD in Budapest weilten.

Der VIM personifizierte schriftlich (siehe Anlage) die abgebildeten Personen.

Zur nächsten Zusammenkunft bringt er Bilder mit, auf denen der Hersteller des Transparentes abgebildet ist. Er will auch versuchen, von diesem Namen und Adresse zu beschaffen. Diese Personifizierung ist von operativen Interesse, da unter den Mitgliedern der Fan-Clubs diskutiert wird, mit Transparenten und Fahnen zum erwähnten WM-Qualifikationsspiel CSSR – BRD in Prag/Bratislava anzureisen.

 

Der VIM übergab eine handschriftliche Aufstellung (Name und Adresse) der Verantwortlichen der Fan-Clubs der BSG Chemie Leipzig, die an der 2. Fan-Club-Meisterschaft im Fußball teilnehmen. (Siehe Anlage 2)

 

Die Aufstellung umfaßt die Fan-Clubs

  • FC West – Peace Angels
  • City – Unidet
  • Die Sorglosen – Pfeffi 07
  • Connewitz I – Connewitz II
  • Fortuna – Wiese
  • Leutzsch

 

Mündlich informierte er, daß vom Fan-Club „Grüne Engel“ der Organisator der (Name geschwärzt) ist. Gleichfalls übergab „Bart“ eine Aufstellung (Xerox) der Spielorte der einzelnen Fan-Clubs der BSG Chemie.

 

Im Gespräch mit unterzeichneten Mitarbeiter bekannte sich „Bart“ als Fan der Bundesliga-Mannschaft „Schalke 04“. Nach eigenen Angaben unterhielt er in der Vergangenheit postalischen Kontakt mit diesem Bundesliga-Club. Da er in letzter Zeit keine Antworten auf seine Schreiben erhielt, nahm er von diesem postalischen Kontakt gegenwärtig Abstand.

 

Ein dem VIM als fanatischer Fan der BSG Chemie Leipzig namentlich unbekannter männlicher Jugendlicher erzählte „Bart“ über die Vorkommnisse anläßlich der Bahnfahrt der Chemiefans von Leipzig nach Rostock. Er berichtete ihm, daß bei der Rückfahrt von Anhängern der BSG Chemie Lieder mit unterschiedlichen Texten gesungen wurden, u. a. folgender Text: „Wenn der Führer wüßt, daß Leutzsch in Deutschland ist, weilte er mit in Leutzsch, denn Leutzsch ist Deutsch“.

An diesem Beispiel wurde dem VIM durch unterzeichneten Mitarbeiter sofort nachgewiesen, daß ausgehend von den ersten Kontaktgesprächen zwischen VIM und Mitarbeiter hier die erste Tendenz zu verzeichnen ist, die in den Bundesliga-Fan-Clubs bereits deutlich in Erscheinung tritt, daß der neonazistische Gedanke immer mehr in den Vordergrund gespielt wird.

Der VIM bestätigte diese Feststellung und distanzierte sich nochmal eindeutig von jeglichen Bestrebungen des Neonazismus bzw. solcher Gesänge und Texte.

 

In diesem Zusammenhang wurde der VIM nochmals eindeutig instruiert, alle Informationen, Auftritte und Verhaltensweisen bzw. Texte, die gegen die sozialistische Gesellschaftsordnung verstoßen, umgehend den Mitarbeiter zu übermitteln. Gleichfalls wurde der VIM beauftragt, alle Hinweise zu Personen und Aktivitäten, die im Zusammenhang stehen mit dem Fußball-WM-Qualifikationsspiel CSSR – BRD am 1. Mai 1985 in der CSSR umfassend aufzuklären bzw. darüber zu berichten.

 

Während der Zusammenkunft informierte der VIM über die in seinem Haus wohnende (Name geschwärzt)  Alter ca. 35 Jahre  (geschwärzt)

Nach Feststellung des VIM hat die (Name geschwärzt) ein Arbeitsverhältnis, lebt aber weit über ihren finanziellen Verhältnissen.

Die (Name geschwärzt) hat einen losen Kontakt zu den Eltern des VIM. Bei operativen Interesse ist er in der Lage, nähere Angaben zur Person bzw. zu ihren Verhaltensweisen zu machen.

 

Maßnahmen:

 

  • Personifizierung und Überprüfung der im Bericht genannten Personen
  • Erarbeitung einer Information für die KD Leipzig-Stadt und die AKG der BV Leipzig

 

Strenger

Hptm.

 

 

 

Bezirksverwaltung Leipzig                                         Leipzig, 12. Juni 1985

AG Aktionen und Einsätze

 

B e r i c h t

 

Am 7. 6. 1985 fand in der IMK „Gabriele“ eine Zusammenkunft mit dem VIM „Bart“ statt.

 

Der VIM berichtete über seinen Aufenthalt anläßlich der Eishockey-WM und des Fußball-WM-Qualifikationsspieles CSSR – BRD in Prag.

Er weilte nach eigenen Angaben vom 26. 4. bis 30. 4. in der CSSR.

Bei der Ankunft auf dem Prager Hauptbahnhof wurde das Mitglied des Fan-Clubs „Grüne Engel“ (Name geschwärzt) und dessen Cousin (Name geschwärzt) durch die Miliz zugeführt.

Beide sangen lautstark das Deutschlandlied, grölten den Hitlergruß und trugen eine schwarz-rot-goldene Fahne mit dem Emblem der Bundesmarine.

 

Die mit dem VIM reisenden Mitglieder des Fan-Clubs „Grüne Engel“ (namentliche Aufstellung siehe Anlage) kümmerten sich nicht um die Zugeführten, da sie befürchteten, ebenfalls personifiziert zu werden. Nach Angaben von „Bart“ verlief die Fahrt ohne Störungen und Provokationen.

Die Mitglieder des Fan-Clubs übernachteten im Sporthotel Prag.

Sammelpunkt der Fußballfans aus der DDR war die Schwarzbiergaststätte „U-Flecku“, wo auch viele Chemie-Fans anwesend waren.

So traf der VIM Mitglieder der Fan-Clubs „Die Sorglosen“ von Chemie-Leipzig und vom „Fan-Club West“.

Im „U-Flecku“ fand auch eine Zusammenkunft mit dem ehemaligen Mitglied des Fan-Clubs, dem (Name geschwärzt) statt. (Name geschwärzt), wie bekannt jetzt Einwohner von Westberlin, reiste mit dem Zug in der CSSR an und brachte zwei Arbeitskollegen aus Westberlin mit.

Entgegen der Instruierung suchte der VIM keinen intensiven persönlichen Kontakt zum (Name geschwärzt), da er „verärgert“ ist, weil (Name geschwärzt) immer noch Schulden beim VIM bezahlen wollte.

 

Im Gespräch wurde „Bart“ erläutert, daß dies zweitrangige Bedeutung für die Realisierung der operativen Aufgabe besitzt. Ihm wurde aufgezeigt, daß die materiellen Aufwendungen des MfS für seine Reise nach Prag genutzt werden müssen, um abrechenbare Ergebnisse zu erarbeiten.

 

Der VIM informierte, daß im April die Freundin des (Name geschwärzt), die (Name geschwärzt) während einer Grenzabfertigung in die CSSR an der Ausreise gehindert wurde und eine Zurückweisung erfolgte.

Bei der Befragung durch die DVP oder das MfS (konkret dem VIM nicht bekannt) wurde (Name geschwärzt) hinsichtlich ihrer Beziehungen zum Fan-Club „Grüne Engel“ befragt.

Diese Fragestellung löste im Fan-Club Befremden aus, und es wurde die Vermutung ausgesprochen, daß sich unter den Mitgliedern ein „Spitzel“ befindet.

 

Angaben bzw. Verdachtsmomente zu einer konkreten Person wurden nicht genannt.

 

Dieses Gespräch verunsicherte offensichtlich den IM stark bei der Erfüllung seiner operativen Aufgabe.

 

Durch unterzeichnenden Mitarbeiter ist zu prüfen, durch wen die Befragung der (Name geschwärzt) organisiert und warum der Sachverhalt zum Fan-Club „Grüne Engel“ hergestellt wurde.

Strenger

Hauptmann

 

 

ANEKDOTEN

 

Bei einem riesigen Gelage in der „Leutzscher Aue“, bei dem fast 100 Leute zugegen waren, meldeten die „Engel“ zuvor beim Kneiper Bedenken wegen des an der Wand hängenden Bildes von Erich Honecker an. Sie rieten ihm, das Bild vor der Party unbedingt abzunehmen. Es geschah nichts, und so kam, was kommen musste: Als alle besoffen waren, hängten sie das Bild ab und warfen es im Knatter über den Zaun auf das Nachbargrundstück. Der Haken an der Sache war nur, dass auf genau jenem Grundstück die Staatssicherheit ihr Domizil hatte. Am nächsten Morgen, als ihnen dämmerte, was da geschehen war, zog riesige Hektik ein, und man schaute vorsichtig vor Ort nach, was Sache war. Alles lag friedlich, auch das Bild steckte noch im Gras, und so entschärfte man die Situation, indem man vorsichtig mit einem langen Gegenstand unter dem Zaun hindurch den Honecker wieder auf die Kneipenseite herüberzog. Großes Aufatmen nach dieser Rettungstat, denn auf die Verunglimpfung des Staates und seiner Würdenträger reagierte der Staat in der Regel erbarmungslos.

Egge und Kleo fuhren nach Berlin zum Pfingsttreffen 1972 und übernachteten bei einer Tante, die beim Staatsrat arbeitete. Im betreffenden Wohnviertel in der Jungferngasse wohnten ausschließlich dem Staat nahestehende Personen. Die Polizei fing die beiden langhaarigen Jugendlichen von der Straße weg und verfrachtete sie in einen Zug nach Leipzig. Die Tante beschwerte sich bei der Polizei, und siehe da: Tage später erschienen zwei Zivile in der Schule bei Egge und Kleo und entschuldigten sich.

Uli veranstaltete dreimal jährlich ein Skatturnier bei ihm zu Hause in der Augustenstraße am Täubchenweg. Das Haus zerfiel allmählich und stand schon fast leer, er aber hatte alle Schlüssel, und so konnten sie in vier Wohnungen gleichzeitig spielen. Jeder musste eine Flasche Schnaps mitbringen, er besorgte das Bier. Die Zimmer wurden vorbereitet, der Alk reingebracht, die Karten auf den Tisch gelegt und die Tür zugeschlossen. Somit sollte verhindert werden, dass jemand „verloren“ ging. War man mit dem Skaten fertig, wurden die leeren Kästen zurück gebracht und mit dem Rest ein ordentlicher Frühschoppen veranstaltet. Einmal wurde um Mitternacht, als der Deutschlandfunk die deutsche Nationalhymne spielte, lauthals mitgesungen. Am nächsten Tag sprach der ABV Uli an, was denn wieder losgewesen sei. Am Ende des Gespräches drückte ihm der Polizist die Hand und sagte: „Nächstes Mal, wenn ihr euch trefft, sag mir vorher Bescheid, da geh ich in den Garten, wo mich niemand findet!“

Beim Spiel von Lokalrivale Lok gegen Fortuna Düsseldorf 1973 gaben sich die „Engel“ größte Mühe, in den abgeschirmten Fortuna-Block zu gelangen. Es gelang, und nach dem Spiel wurden sie eingeladen, doch im Zug noch ein paar Bierchen mit den Gästen zu trinken. Da nicht alles geschafft wurde, nahmen sie kurzerhand einige Dosen mit sich, doch am Bahnsteig wurden sie von der Volkspolizei wegen „Bettelei bei Bundesbürgern“ verhaftet. Erst nach vier Stunden kamen sie wieder frei.

Manchmal besuchten sie die Auswärtsspiele auch mit dem Schwertransporter. „Lissy“ hieß die Skoda-Zugmaschine von Manney, in der sie bisweilen, zu viert ins Fahrerhaus gequetscht, irgendwohin fuhren. „Einmal waren wir in Wismar zum Aufstiegsspiel, da fielen wir ganz schon auf mit dem großen Lkw“, erinnert sich Bauleiter. Aber auch in Dahnsdorf rückte die verrückte Truppe an, was jedes Mal für großes Aufsehen sorgte.

Um Geld zu sparen, was aber eigentlich ausreichend vorhanden war, fuhren Manney und Laube zum Intertoto-Spiel in Rostock ohne Fahrkarte mit dem Zug. Als sie in Potsdam erwischt wurden, flogen sie achtkantig raus – und fuhren einfach mit dem Taxi weiter. Logisch war das nicht…

 

HEUTE

Inzwischen sind die meisten Grünen Engel zwischen 60 und 70 Jahre alt. Kleo und Manney gehen regelmäßig zu Chemie, Bauleiter, Egge, Peter Lohse und der Alte leben in Leverkusen und Mönchengladbach, Laube in Stuttgart, Machti in Cottbus, Uli in Leipzig-Paunsdorf. Wieder andere sind verstorben wie Sergant (†), der Braune (†) und Paschli (†), andere schlicht verschollen. Es gibt Treffs zu Himmelfahrt im Mühltal, oder in der Weihnachtszeit bei Porsti daheim. Aber einmal im Jahr treffen sich alle, die können, in Mönchengladbach zum Skaten. Dann ist alles wie früher, findet Peter Lohse: „Da spürt man die Nähe, die wir untereinander haben. Da steht nichts zwischen uns, man kann total loslassen. Einfach schön.“

Text von 2017, Laube und Uli sind inzwischen ebenso verstorben.

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