Go east 2012 Reisen

Auf Ukrainer Straßen5 min read

25. Oktober 2012

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Auf Ukrainer Straßen5 min read

Auf unserem Weg quer durch die Ukraine ist uns eines klar geworden: Gute Straße ist hier nicht. Erwartet hatten wir natürlich keine Verhältnisse wie in der Schweiz, und klar, es gibt Ausnahmen, aber die sind rar.

Zwischen den großen Städten gibt es durchaus akzeptable Asphaltstrecken. Meist aber wird man im Wagen hin- und hergeworfen wie vor Urzeiten ein Kutscher auf seinem Bock – vom Pferdewagen… Löcher, so groß wie ganze Kleinwagen? Keine Seltenheit. Verwerfungen am Fahrbahnrand – vorherrschender Standard. Flickenteppiche über dutzende von Kilometern – aber bitte, jede Menge vorhanden! Aber es gibt ganz unterschiedliche schlechte Straßen. Wir haben sie mal kategorisiert.

Da sind die, sagen wir, „Wellenstraßen“. Man wird von links nach rechts bewegt, ganz sanft, aber unabwendbar. Das machen die Spurrinnen, die teilweise bis zu 20 cm tief sind und denen man kaum entkommen kann. Ganz dumm wird es nur, wenn gerade ein riesiger Truck entgegen kommt und mehr als seine eigene Straßenseite beansprucht, also mit den Rädern schon auf unserer Spur fährt. Gerade dann packt wieder eine der Wellen zu, drückt das Auto Richtung Gegenverkehr. Da hält man schon mal den Atem an und lenkt so weit wie möglich gegen…

Anders sind die „Flickenstraßen“. Die nerven tierisch. Denn nicht nur das Auto bekommt seinen Teil ab und wird übel durchgerüttelt, sondern auch Fahrer und Beifahrer kommen nicht mehr zur Ruhe. Alles vibriert, rüttelt, wackelt, ein Höllenlärm im und am Auto. Vom Besteckkasten bis zu den Flaschen mit dem Krimsekt wird alles gründlich durchgeschüttelt. Ab und an knallt etwas zu Boden, was der Belastung nicht mehr standhalten konnte. Das Salz ist längst dem Streuer entwichen, irgendwoher riecht es nach Essig. Die Milch, eben frisch gekauft, ist tags darauf zu Quark gerüttelt. Jesus!

Plötzlich rüttelt es irgendwie anders. Wir sind auf einer sogenannten „Rillenstraße“ gelandet. Gemeine Querrillen machen Mensch und Maschine zu schaffen. Wer hat zum Teufel nochmal diese Rillen in die Straße gemeißelt? Wer macht denn nur sowas? Wir sind gezwungen, noch langsamer als ohnehin zu fahren. Ständig werden wir in halsbrecherischer Geschwindigkeit überholt – von Pkw, Bussen und auch Trucks. Hier wird wirklich auf Verschleiß gefahren…

Am gefährlichsten sind die „Zackstraßen“. Die glänzen mit scheinbarer Professionalität, bieten glatte Oberfläche und angenehmes Äußeres. Doch mit einem Mal – zack! – klafft ein fieses Loch direkt vorm Reifen. Ausweichen? Keine Chance. Und bumm! Wieder ächzen Federn und Chassis gequält auf, der Wagen wird durch und durch erschüttert. Bestimmt fällt uns demnächst irgendein wichtiges Teil ab. Einfach direkt auf die Straße, und vorbei wär‘s mit dem schönen Urlaub…

Doch nicht nur die Straßen, sondern auch deren Beschilderung ist so ein Ding in der Ukraine. Scheinbar weiß jeder, wo es entlang geht, denn oft fehlt es an den grundlegendsten Richtungsweisern. Wenn es denn doch welche gibt, sind sie winzig klein und prangen irgendwo an einem Laternenmast. Wenigstens blau sind sie – wenn man die Farbe noch erkennt. Manches Mal wurde ein arg verwittertes Holzschild mit der Ortsangabe erst im letzten Moment gesichtet und zwang zu verwegenen Manövern am Lenkrad. Dafür prangen an anderer Stelle auf kerzengerader Strecke aller 500 Meter die immer gleichen Schilder „Kiew“. Als ob sich das irgendwie geändert haben könnte auf diesen 500 Metern, wenn keine einzige Straße abzweigt…
Dann wieder wird ein einziges Mal auf das entfernte Krementschuk verwiesen, auf den nächsten 50 Kilometern dagegen nur noch auf andere Ziele in gleicher Richtung, die vor Krementschuk liegen. Logisch ist das nicht direkt, aber man will bestimmt unsere Aufmerksamkeit schulen und das Mitdenken fördern… In Odessa verzichtet man gleich komplett auf irgendwelche Hinweisschilder. Scheinbar weiß jeder Ukrainer genau, wie er ins Zentrum kommt. Nach anderthalb Stunden Kreisfahren sehen wir ein Schild „Zentr“ – ganz unscheinbar irgendwo an einen Mast genagelt. Erst der Kauf eines Stadtplanes an einer Tankstelle bringt Hilfe. Aber wir haben wenigstens sämtliche Vorstädte Odessas besichtigt und wissen, wie die Menschen dort wirklich wohnen.

Aber was ist schon Autofahren in der Ukraine ohne die ukrainischen Polizisten? Sie beherrschen das Straßenbild tatsächlich, zumindest an Kreisverkehren sowie vor und nach Ortschaften. Dazwischen sieht man sie fast nie – und genau dort brauchte es aber jemanden, der genauer hinschaut. Die meisten halsbrecherischen Manöver finden auf den endlosen Landstraßen statt. Nur, dass sich sämtliche Kamikaze-Raser ziemlich sicher sein können, dass ihr Treiben ausserhalb der Städte unbeobachtet bleibt. Soviel geschnitten worden wie in den letzten beiden Wochen bin ich in meiner gesamten Fahrerlaubnis-Karriere noch nicht. Doch zurück zu den Polizisten. In regelrechten Haufen kommen sie an Kreisverkehren vor. An einem Tag zählten wir mal elf Kontrollen. Wir wurden bisher dreimal rausgewinkt, ganz lässig, mit dem Verkehrsstab. Sowas gibt’s hier nämlich noch. Lässig angeschlendert, schaute sich der Meister erst mal um und fragte dann: Tourist? Einmal reichte die Fahrerlaubnis, einmal war die Greencard, also die grüne Versicherungskarte interessant. Das wars. Man wünsche „Good luck!“, was angesichts dewr Straßenverhältnisse fast schon niedlich war, und ließ uns ziehen. Einen Geschwindigkeitsverstoß warf man uns erst gar nicht vor – wir waren immer langsamer als erlaubt. Kein Wunder…

Am Ende ist nichts von unserem Wohnmobil abgefallen und angekommen sind wir auch immer. Aber so schnell wiederholen wir den Roadtrip gen Osten sicherlich nicht. Den nächsten Urlaub verbringen wir in den USA. Mit einem geliehenen Wohnmobil.

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Ein Kommentar
  1. MuChri

    Armer Helge samt Insassen !! Alles hat ein Ende... Freu mich auf Euch! Bis bald. Lieben Gruß. MuChri.

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