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Kuba: Mit dem Che auf der Harley7 min read

8. Oktober 2014

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Kuba: Mit dem Che auf der Harley7 min read

Kubanische Harlistas: Die Söhne der Revolutionäre
lieben Amerikas Kult-Motorrad
Leseprobe aus dem neuen Buch „Harlistas in der Karibik“ (erhältlich NUR bei www.backroad-diaries.de und www.amazon.de)

Ernesto Guevara (li) mit Kumpel in Havanna auf seiner 49er Panhead.
Ernesto Guevara (li) mit Kumpel in Havanna auf seiner 49er Panhead.

Die Comandantes „Che“ Guevara und Antonio Sánchez Díaz „Pinares“ verhalfen vor 55 Jahren der kubanischen Revolution in vorderster Front zum Sieg. Jetzt pflegen ihre Söhne das Erbe des Klassenfeindes – sie gehören zu den fanatischen Harley-Davidson-Jüngern auf der Karibikinsel, die ihre Uralt-Maschinen hegen und pflegen und täglich über Havannas Straßen treiben.

Schrauben als tägliches
Schrauben als tägliches „Vergnügen“ – Camillo (li) und Ernesto verbindet nicht nur diese Leidenschaft…

Jeder kennt Ernesto und Camillo, sie sind wie siamesische Zwillinge. Das Schicksal hat sie aneinander geschmiedet wie sonst selten zwei Menschen. Das Schicksal, das waren ihre Väter. Die Welt kennt sie als die Comandantes „Che“ Guevara und Antonio Sánchez Díaz „Pinares“, die Kubas Unabhängigkeit erkämpften. Und als „el Che“ nach Bolivien ging, um dort die Revolution zu verkünden, war auch sein Freund Camilo dabei – und starb an seiner Seite im Jahr 1967. Die beiden Söhne der Revolutionäre wuchsen Seit an Seit zusammen auf, sie kennen sich seit Kindestagen. So teilen sie auch die Liebe zu Harley-Davidson, die sie gemeinsam entdeckten und seither pflegen.

In Varadero treffen wir uns. In all dem Trubel, zwischen den kubanischen Harlistas mit ihren Uralt-Eisen, den ausländischen Harley-Enthusiasten, die eigens angereist sind, und den neugierigen Touristen, die unverhofft einen unvergleichlichen Augen- und Ohrenschmaus geboten bekommen, bewegen sich die Freunde in selbstbewusster Selbstverständlichkeit. Ihre Heiterkeit ist ansteckend, es wird viel gelacht. Camillo ist ein Scherzbold, andauernd reißt er Witze. Ein Rum hier, ein Schwätzchen dort, und überall werden sie erkannt. Nicht von den Ausländern, nein, die wissen nichts von der Anwesenheit des berühmten Namensträgers. Die Kubaner sind es, die Bescheid wissen. Und manch einer flüstert hinter vorgehaltener Hand: „Schau, ganz der Vater!“ Die Ähnlichkeit ist nicht zu verbergen, wenn auch der Sohn jetzt schon älter ist als sein Vater je wurde. Ernesto (48) und Camillo (51) schauen sich die Motorräder der Besucher aus Panama, Norwegen und Deutschland genau an, bestaunen die mächtigen Harley-Tourer wie alle anderen auch, und machen sich gegenseitig auf technische Finessen aufmerksam, die ihre alten Maschinen natürlich nicht besitzen. Es wird gefachsimpelt, diskutiert, und irgendwann ziehen sie sich in die gemietete Casa Particulare zurück, nicht ohne der euphorisierten Kubanerin, die so eindringlich darum bittet, noch ein Tänzchen unter der prallen Mittagssonne zu gewähren.

Täglich in Benutzung: die 1949er Panhead...
Täglich in Benutzung: die 1949er Panhead…

Im Schatten, bei einem Gläschen Rum, erzählen die beiden Freunde von ihrer Liebe zu Harley-Davidson. Ernesto war der erste von Beiden, der eine der begehrten Maschinen besaß. er hatte sie von einem Seemann gekauft. Camillo machte seine ersten Erfahrungen auf diesem Bike und war dann 2004 dran, als er seine erste Harley kaufen konnte. „Inzwischen haben wir fünf Bikes. Das Besondere daran ist, dass wir nicht sagen können, das ist meines und das ist deines. Sie gehören uns zusammen“, erklärt Camillo. Sie reparieren sie gemeinsam und schrauben unablässig daran herum, aber trotzdem funktionieren sie niemals alle gleichzeitig. Immer ist irgendetwas kaputt, was ja auch kein Wunder ist bei den meist 60 bis 70 Jahre alten Maschinen. Das mache aber nichts, grinst Camillo, der Spaßvogel, das gehöre dazu, das lieben sie. Sie reparierten ja auch die Bikes von anderen Harlistas, erzählt er, und wieder grinst er schelmisch, wenn er sagt, das sei auch besser, als die eigenen Bikes zu reparieren – falls man mal einen Fehler begehe. Gelernt haben sie bei Sergio Morales, dem legendären Schrauber aus Havanna.

Camillos Haupt- und Lieblingsbike ist eine 1956er Panhead. Er nennt sie „Bullet to kill Kennedy“. Er stellt aber klar, dass das nicht politisch gemeint ist: „Es ist schwarzer Humor, denn das Bike ist schnell wie eine Kugel – und wir lieben es schnell!“ Beide lachen. Ernestos Bike ist noch älter, eine grüne 1949er Panhead, die gerade wieder ein Problem hat. Irgendwie läuft der Motor unrund – „verschlissene Laufbuchsen“, wie der Sohn des Che erklärt. Ein Wunder, dass die Motorräder überhaupt noch laufen, wenn man bedenkt, dass sie tagtäglich im Einsatz sind. Camillo bringt damit seinen Sohn in die Schule, kauft Brötchen, fährt zur Arbeit. Sie unternehmen viel, öfters auch größere Touren. Erst letztens waren sie in Camagüey, der über 500 Kilometer entfernten Stadt in der Mitte Kubas. Ihr gemeinsamer Traum: Einmal die Route 66 fahren. „Das wär’s wirklich, davon haben wir schon so viel gehört“, schwärmt Camillo. Einmal sind sie die Strecke nachgefahren, die Ernestos Vater 1952 auf einer alten Norton unter die Räder nahm. Sie fuhren durch Argentinien zwischen Mendoza und Buenos Aires und besuchten den Geburtsort des Che in Rosario.

Camillo mit seinem Sohn...
Camillo mit seinem Sohn…

Tage später treffen wir uns in Havanna wieder, in Camillos Haus. Ernesto sitzt entspannt auf der Terrasse, die abgewetzten Bikerstiefel wippen im Takt des Schaukelstuhles. Er lächelt leicht beim Gespräch, wirkt souverän und ausgeglichen. Über seinen Vater spricht er ungern, er sagt: „Ich bin ich und ich habe mein eigenes Leben“. Das führt er als Rechtsanwalt und Familienvater, und, natürlich, als Harlista. Am Wochenende geht es oft mit Camillo und anderen Freunden auf der Harley hinaus in die Berge, nach Pinar del Rio, in die Sierra de San Carlos, von wo man das Meer sehen kann. Das tut er seit mehr als zwanzig Jahren, und es bedeutet ihm viel.

Von Politik will er nichts wissen, im Gegensatz zu seinem Bruder Camilo, der den geistigen Nachlass des Vaters gemeinsam mit Schwester Aleida im Studienzentrum Ernesto Guevara in Havanna verwaltet. Als Rechtsanwalt will er nicht mehr arbeiten, es bedeutet ihm mehr, wenn er an Autos und Motorrädern herumschrauben und reparieren kann. Inzwischen hocken Ernesto und Camillo auf der Straße vor dem Haus. Es wird konzentriert geschraubt. Ein Problem mit dem Vergaser, was sonst. Die alten Harleys sind nicht eben als zuverlässig bekannt. Die Hände sind ölig, der Schweiß rinnt. Obwohl Winter ist in Havanna, zeigt das Thermometer 29 Grad. Dann steht Ernesto auf, zieht sich das Hemd straff, kickt die altersschwache Panhead energisch an. Zwei, drei Tritte genügen, dann lässt die Harley den so typischen tiefen, satten Sound hören. Man kann die einzelnen Stöße der Zylinder hören, so langsam dreht der Motor. Der Sohn des Che schwingt sich auf den breiten Sattel, klappt den Seitenständer hoch, schaut kurz über die Schulter und donnert die Straße hinunter. Kurz darauf taucht er wieder auf, windet sich elegant um einen Polski Fiat im Gegenverkehr. Für einen kurzen Moment sieht er aus wie sein Vater, wie er im Film „Die Reise des jungen Che“ voller Lebensfreude und Enthusiasmus auf der 500er Norton durch Südamerika braust.

Es entspinnt sich eine lebhafte Diskussion zwischen Ernesto und Camillo. Der hatte bis eben völlig unbeteiligt in seinem weiß angestrichenen Metall-Schaukelstuhl unter der mit Efeu umrankten Laube gesessen und dem Trubel entspannt zugeschaut. Er hatte dabei eine Zigarette nach der anderen geraucht und grinste vor sich hin. Jetzt diskutierte er mit Händen und Füßen, es scheint um eine Fachfrage, die museumsreife Harley betreffend, zu gehen. Dann hantieren sie zu dritt mit einem langen Schraubenzieher und versuchen, irgend etwas einzustellen. Irgendwann läuft die Maschine zufriedenstellend, Ernesto zündet sich noch eine Zigarette an und erzählt von seinen Europareisen. Neapel und Athen eroberte er mit einer Harley, in der griechischen Hauptstadt hat er einen guten Freund, der Mechaniker ist. Und er berichtet über die Probleme, an Ersatzteile zu kommen: „So müssen wir immer und überall schrauben und die Teile eben selbst bauen“. Spricht’s, verabschiedet sich und kickt seine Harley an, um einen rasanten Abgang hinzulegen.

Camillo raucht noch eine Zigarette und philosophiert noch ein wenig über das Gefühl, eine Harley zu fahren. In seiner für ihn typischen Art tut er das, und es klingt ein wenig martialisch, aber absolut authentisch, wenn er es uns erklärt: „Harleyfahren ist wie ein Orgasmus, die absolute Freiheit. Das ist das Maximum – da kommt nichts anderes heran!“

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