Auf einen Wodka nach Murmansk4 min read
Die Idee geisterte schon lange durch unsere Wirrköpfe, doch diesen Sommer nahmen wir die ehrgeizige Tour endlich unter die Räder: Leipzig – Nordkapp und zurück. Einen Abstecher nach Murmansk nicht zu vergessen. Denn wer wollte nicht schon immer mal in diese schöne Stadt weit hinterm Polarkreis, wo die größten Atommülldeponien der Welt, der Turm des versunkenen U-Boots Kursk und heiße russische Nächte warten?
Wir starteten zu dritt. Big Man vom Metal Skulls MC sowie Robert als Fotograf und Fahrer des Begleitfahrzeuges waren dabei. Die Kurzform: Ausfahrt mit dem Leipzig Chapter der HOG nach Rügen, Überfahrt nach Trelleborg mit Thomas und Anette vom Malmö-Chapter sowie Übernachtung bei dem schwedischen Bikerpärchen, scharfer Start am nächsten Tag. Twei Tage Schweden mit teilweise Regen, Finnland am dritten Tag mit viel Regen, Polarkreis und Weihnachtsmanndorf in Rovaniemi, Ankunft in Murmansk an Tag 4 bei Regen und sieben Grad. Hotel in Murmansk, denn Zelten in der 300 000-Seelen-Stadt ging ja schlecht. Erster Abend: ruhig im Hotel. Stadtbummel und Rundgang am zweiten Tag, Nieselregen, Tristesse, naja. Aber am Abend – Besuch des Rock Cafe. Es blieb nicht bei einem Wodka. Es wurde morgens sehr spät, am Ende kannten wir fast alle Besucher der Location, wo russische Hardrockbands mit infernalischem Lärm zur Höchstform aufliefen. Am Tag darauf: Sputnik, Nikel, Einkauf von Gemüse, Vorräten und Wodka. Die Hälfte des Wodkas konfiszierten die hübschen, aber unerbittlichen norwegischen Zöllnerinnen. 100 Euro Strafe kostete unser unbezwingbarer Durst auch noch. Hell yeah, das ging gut los. Beim Tanken kurz darauf der nächste Ohnmachtsanfall: 2,04 Euro pro Liter 95er Benzin! Ui… Und nochmal traf es uns an diesem Tag, als wir unweit von Kirkenes gerade alle Zelte aufgebaut und das Essen serviert hatten. Da nämlich sprangen vier Bewaffnete aus einem Jeep und lachten sich halb schlapp. Wir hatten mitten auf einem – schlecht ausgeschilderten! – Truppenübungsgelände der norwegischen Armee campiert. Immerhin geleitete man uns zu einem nahen harmloseren Gelände, wo wir unbehelligt unser Lager aufschlugen und die ungewohnte Mitternachtssonne bestaunten und verfluchten. Sonnenbrand nacht um drei – das ist in der Tat ungewöhnlich! Immerhin hatte ein Temperatursprung um stolze 15 Grad dafür gesorgt, dass wir uns wie im Hochsommer fühlen konnten. Nur die Heerscharen an Mücken verhinderten, dass wir halbnackt am Feuer sitzen konnten…
Nordkapp im T-Shirt – man traut es sich ja kaum zu sagen. Aber es ist wahr: der nördlichste Punkt Europas kennt manchmal auch so etwas wie Hitze. Und wir hatten es genau abgepasst. Und die Massen an Toursiten, die in acht Bussen ankamen, als wir gerade fertig waren mit fotografieren, ebenso. Danach fühlte es sich an wie auf der Leipziger Hainstraße zu seligen Messezeiten.
Hammerfest, Tromsö, Narvik – nun wurde die Landschaft spektakulär. Die Fjorde und die hohen Berge sorgen für ein dauerhaftes erhabenes Gefühl für diese einmalige und stolze Landschaft. Fahrerisch ein Leckerbissen: Kurven über Kurven, garniert mit immer wieder spektakulären Ausblicken. In Bodö gastierten wir einen Tag bei einem großen Bikertreffen, Rentiere trafen wir eigentlich überall an, und der einzige Elch, den wir erspähten, rannte fast Big Man über den Haufen. Er war wohl ein wenig konfus… WM-Endspiel nahe der Trollstiegen auf einem Campground, der spektakuläre Gejrangerfjord grüsste uns mit sage und schreibe fünf (!) Kreuzfahrtschiffen und tausenden herumhampelnden Touristen, und dann wurde das Wetter nach über einer Woche wieder schlechter. Den tiefen Wolken fiel leider die Straße 55 mit ihren Ausblicken auf die Gletscher zum Opfer. Ab diesem Moment befanden wir uns auch geistig-moralisch auf der Rückfahrt: Oslo, schwedische Grenze, in Göteborg gab es nach mehrstündiger Regenfahrt keinerlei Quartiere mehr wegen des größten Jugendfußballturniers der Welt mit 42 000 Teilnehmern, Fähre Trelleborg, letzte Übernachtung nahe Stralsund. Und schon waren wir wieder heeme. 7600 Kilometer, tolle Erlebnisse und unvergessliche Landschaften.
All das wird im kommenden Jahr in Buchform erscheinen, wobei im Buch auch von vielen Besuchen bei diversen Motorradclubs berichtet wird. Denn um die Bikerszene geht es wie immer in der Backroad Diaries-Reihe. Von den Murmansk Riders bis zum Arctic Chapter, von den Einprozenterclubs bis hin zu den alteingesessenen kleineren Clubs in Skandinavien reicht die Palette. Lasst euch überraschen!