Am Ziel unserer Träume: Vama Veche4 min read

In Vama Veche nach anstrengender Fahrt ab Bukarest angekommen, suchten wir uns im dunklen erst mal einen Platz zum Übernachten. Da ich das Gebiet schon mal über Google Map abgescannt hatte (was heute so alles möglich ist, was?), wusste ich ungefähr, wo wir hinmussten. So brauchten wir auch gar nicht lange, um ins Meer zu gelangen, um uns erst mal die verdiente Abkühlung zu genehmigen.

Leider erwies sich unser Stellplatz im nachhinein als ungeeignet, weil gegen Mitternacht noch ein umgebauter 40-Tonner mit verschweissten Seitenfenstern und einer Ladung Franzosen die gigantische Wagenburg gleich gegenüber verstärkte und man nicht ohne unerhört lärmendes Notstromaggregat auszukommen glaubte. Dahin wars mit Hippie-Idyll, in dem wir uns wähnten, und schweigender Himmelsschau, welche bis dahin dutzende Sternschnuppen zum Resultat hatte. Ziemlich rücksichtslos von den so alternativ sein wollenden Nomaden in ihren Riesenkisten, fand ich – und wir zogen am nächsten Morgen um, um dem dauernervenden Geräusch endlich zu entfliehen. Am Frühstückstisch wollte ich die Ohrstöpsel wenigstens gefahrlos entfernen können. Aber irgendwie ziehen wir Lärm ja an – das bekamen wir am nächsten Standort zu spüren. Der präsentierte sich zunächst harmlos-ruhig. Gegenüber ein Wohnmobil mit vier Österreichern, die zur Gitarre klampften. Vorn ein alter Reisebus mit Deutschen, die gerade vom Donaudelta kamen und ihre drei Hunde im Griff zu halten suchten. Mitten in die mittägliche Ruhephase donnerte nahes und aufdringliches Maschinengeräusch. Eine Raupe bahnte sich ihren Weg, markierte eine Grundstücksgrenze mit infernalischem Lärm. Später schlug sie mit ihrer Schaufel Pfähle ein, die fortan ein Grundstück begrenzen.

Überhaupt ist zu bemerken, dass diese Enklave gegen den Massentourismus in ihrem Fortbestand nicht nur bedroht ist, sondern dass ihr Ende bereits unausweichlich eingeläutet wurde. Drei, vier Neubauten wachsen an der Küstenlinie empor, die bisher von Wiesen begrenzt wurden, auf denen sich seit Zeiten des Kommunismus in Rumänien eine Gegenkultur, eine Alternative, ein Idyll etabliert hatte. Alt-Hippies, Künstler, Alternative, Nudisten – auf Konventionen wurde hier kein Wert gelegt. Nach-Wende-geprägte Versuche, dies zu ändern, scheiterten an Protesten der Vama-Veche-Verteidiger. Unter andere wurden 30.000 Unterschriften gegen eine Zersiedelung und Hotelneubauten gesammelt. Studenten riefen das “Stufstock-Festival” ins Leben, das als Symbol für die alternative Kultur im Ort dienen soll. “Stuf” heisst “Schilf” und erinnert an das Woodstock-Feeling. Zum sechsten Mal findet das Festival mit bekannten rumänischen und internationalen Bands in diesem Jahr statt – u.a. mit Apocalyptica und Crowfish. Ab morgen sind wir auf die Bands gespannt. Jedenfalls wird mit den Neubauten an der Küste dieses Stück Freiheit verschwinden. Stück für Stück, immer meterweise. So, wie die Bagger neue Grundstücksgrenzen schaffen, verschwindet Platz für die Zelte und Wohnmobile. Und das wilde Campen direkt am Strand, ohne jede Anmeldung und Gebühren, wird über kurz oder lang der Vergangenheit angehören. Das ist einerseits schade, wird aber von den teilweise hochgerüsteten und -technisierten Truck-Invasionen der alternativen (?) Aussteigerszene auch regelrecht provoziert. Oder wer hat gern 30 Busse und Sattelschlepper auf der Wiese stehen, wer erstickt schon gern im Müll, wer mag es, wenn die umliegenden Wiesen regelrecht zugekotet werden, weil der eine einzige Lei, die die Toilettenbenutzung kostet (entspricht etwa 0,30 Euro), gespart werden soll oder der Weg (ca. 200 Meter) zu weit ist? Wer liett schon den Lärm, der von den Strandbars bis 3 oder 4 Uhr morgens nervtötend und in Konzertlautstärke erklingt – und das Nacht für Nacht? Mit Hippie-Idyll hat das eben nicht mehr viel zu tun. Da fehlen viel zu sehr die leisen Klänge mit Gitarre oder Trommeln, mit Lagerfeuer und Solidarität untereinander. Hier sind die meisten auf sich selbst ausgerichtet und das Vergnügen, das sie hier finden wollen. Mitsamt Generator und hinter den Wohnwagen des Nachbarn scheißen.

Das war jetzt sehr negativ und global. Wir genießen das, was geht und was schön ist, nutzen das 1-Lei-Steh-Klo, gehen oft baden, entsorgen unseren Müll und finden die Atmosphäre trotzdem schön. Über den Rest schauen wir hinweg, was solls auch. Ist eben nur schade. Jetzt zum Beispiel sitzen wir in einer Strandbar, hören schöne Musik, trinken ein Nachmittagsbierchen, schauen in den blauen Himmel und das schwarze Meer und schauen uns die Mitstreiter hier an. Rastazöpfchen, Grunge-Bärtchen, lange Haare – es ist schon ein eigenes Völkchen hier. Das macht es ja auch aus.

So, das lag mir jetzt aber am Herzen, ihr habt es gemerkt. Wird euch herzlich wenig kratzen. Sind halt Urlaubs-Luxus-Angelegenheiten. Sagt aber auch etwas über gewisse Entwicklungen aus.

Jedenfalls sind Robi und Simon nun wieder auf dem Weg nach Bukarest und dann heute abend nach Sofia. Die zwei kleinen Chaoten… Hielten im Bahnhof Mangalia erst mal den gesamten Verkehr auf und hatten eine bereits murrende Schlange Reisender hinter sich, die sich fragten, wann die beiden Rucksack bepackten Jungspunde endlich ihre Fahrkarten hätten. Und wir gehen jetzt erst mal ins Wasser…