Captains Dinner in Tartous5 min read
Wir sind im Orient angekommen – Tartous empfing uns mit straffen 28 Grad. Nachdem die mächtige Fähre die Anlegeprozedur absolviert hatte, kamen wir sehr schnell vom Schiff. Uns empfing schon die Hafenpolizei und geleitete uns zum Zoll-Sammelplatz. Dort trafen wir Ziad von den Syrian Riders sowie den Chef der Shipping Company, die uns bei den Formalitäten sehr halfen.
Somit hatte sich Samys Vorbereitungstour wieder mal gelohnt, denn ohne eine solche Hilfe ist es in den Häfen wesentlich schwerer, zurecht zu kommen und immer gleich die richtigen Wege zu finden. Die beiden fuhren uns quer durch den Hafen zum Immigration Check, wo wir die Einreisestempel erhielten. Alles ganz problemlos und rasch. Es waren aber eben auch wenige Passagiere an Bord der Fähre. Leicht gewöhnungsbedürftig war die Kontrolle unseres Reisegepäcks – dies geschah vor dem Eingang des Gebäudes im wahrsten Sinne des Wortes im Dreck, und der Beamte hatte sichtlichen Spaß am genauesten Durchwühlen unserer Klamotten. Auch der Kulturbeutel mit Zahnpasta und Duschgel wurde genauestens inspiziert. Anschließend wurden wir aus dem Hafen heraus in ein Hotel gefahren, wo wir zwei Zimmer buchten.
Unser Truck im leeren Ladedeck der Fähre. Palaver im Hafen nach der ANKUNFT.
Nach kurzer Frischepause begannen wir einen ersten Bummel durch Tartous, bei dem sich herausstellte, dass wir in den kommenden Tagen wohl eine echte Attraktion für die Menschen hier darstellen werden. Drei Europäer stellen sicherlich noch keine Sensation dar, aber Sams eindrucksvolle Gestalt, meine langen Haare und die Tattoos sowie unsere Westen identifizieren uns als nicht alltägliche Besucher.
Tatsächlich hatten uns die guten Geister von der Shipping Company bestätigt, dass wir absolut die ersten seien, die diesen Weg – per Truck und aufgeladenen Maschinen – ins Land wählten. Deshalb hatte man im Vorfeld die Bedingungen geschaffen, um diesen Weg überhaupt erst zu ermöglichen. Vorreiter waren wohl einige Saudis, welche ihre Autos per Truck nach Syrien gebracht hatten.
Sam beim Handykauf. Stacheldrahtrollen gibts gleich mit Henkel zum Mitnehmen.
Nach einigen hundert Metern durch enge Gassen mit vielen kleinen Geschäften hatten wir die erste unvergessliche Begegnung in einem kleinen Telefonladen. Der Inhaber schien erst nicht sonderlich an einem Geschäft interessiert, aber nachdem ihn Samy nach einem billigen Telefon gefragt hatte – er benötigte unbedingt noch eines für die Konversation im Lande und hatte seines daheim vergessen – taute der Mann auf und bediente uns. 45 Euro für ein Zwei-Karten-Telefon ist doch eine Supersache, und so kam der Deal zustande. Natürlich wurden wir ausgefragt, woher wir kommen und wohin wir wollen. Mocki hatte sich inzwischen eine schicke Hose zugelegt, und weil er nicht auf den Gedanken kam, zu handeln, gewährte ihm der Verkäufer eben von sich aus einen Nachlass. Wenig später meldete sich der Hunger und wir besuchten einen Imbiss, einen syrischen Fast-Food-Tempel. Hier waren wir quasi die Ehrengäste, alle waren sehr freundlich und aufmerksam zu uns und fragten uns ebenfalls aus. Sams Pasta schmeckte ebenso gut wie unsere Fladenbrote mit Chicken-Füllung. Der Betreiber des Imbiss bat noch um ein Foto, das wir mit viel Tamtam dann auch zustande brachten.
Am Beach nahmen wir noch einen Kaffee, ehe uns Ziad nochmals aufsuchte und mitteilte, dass man sich derzeit intensiv darum bemühe, dass wir morgen (Sonntag) mit einer Sondergenehmigung in die Freezone, eine Art Zoll-Zone, in Damaskus fahren können. Ansonsten müssten wir bis abends 20 Uhr warten, ehe ein regulärer Konvoi gen Damaskus startet. Somit könnten wir die restlichen Mitfahrer, welche Montagmorgen 2.40 Uhr auf dem Flughafen Damaskus ankommen, nicht selbst in Empfang nehmen. Aber das werden wir noch sehen. Mein Tipp: Das klappt mit der Sondergenehmigung. Denn man öffnet sich hier für den Tourismus und will es den westlichen Besuchern leicht machen. Unsere Reise ist inzwischen sogar in Regierungskreisen bekannt, denn wie gesagt, diese Art von Tourismus ist neu in Syrien. Wie uns Ziad versicherte, ist das eine Art Pilotprojekt für die Syrer, und wenn einmal alles durchgespielt ist, sind Reisen dieses Typs künftig leichter möglich.
20 Uhr trafen wir uns mit Meher von der Shipping Company im Restaurant “The Cave”. Untergebracht ist es in einer 1000 Jahre alten ehemaligen Kreuzritterburg. Wir speisten fürstlich und unterhielten uns sehr gut. Dabei erfuhren wir sehr viel über Land und Leute.
Dinner in “The Cave” mit Meher.
Beispielsweise über die restriktive Politik bezüglich des Autokaufs. Alle Wagen bzw. Fahrzeuge unter 1600 ccm werden mit zusätzlich 125 Prozent auf den Kaufpreis besteuert, über 1600 ccm mit 200 Prozent! Das macht schon ein normales Auto nahezu unerschwinglich, und für eine Luxuskarosse wie den VW Touareg kann man locker 120 000 Euro einplanen. Das erklärt auch, warum es sowenig Harleys in Syrien gibt. Hingegen sind Simson und MZ nach wie vor sehr beliebt und verbreitet, wenn auch inzwischen die noch vorhandenen Modelle in die Jahre gekommen sind. Während unseres Gelages merkte Meher an, dass uns die Kellner für Kapitäne halten würden. Durch den nahen Hafen würden öfters Kapitäne hier speisen und so würden wir wohl ins Raster passen. In unser Gelächter hinein meinte Sam, wir würden doch höchstens als Piraten durchgehen. Also erklärten wir unser Essen kurzerhand zum “Captains Dinner”. Eine Neuigkeit erfuhren wir nach einem Telefonat, welches Meher nach dem Essen führte. Uns wird nun also ein Mitarbeiter der Shipping Company im Lkw begleiten, den Papierkram in Homs erledigen und somit ermöglichen, ausserhalb des Konvois nach Damaskus zu fahren. Dort werden wir am frühen Montagmorgen ankommen, wohl erst nachdem unsere Mitreisenden per Flugzeug gelandet sind. Diese werden dann vom Chef der Syrien Bikers, Leu, abgeholt werden und ins Hotel fahren. Dort werden wir uns treffen und gemeinsam in die Freezone fahren, wo wir die Bikes abholen.
Insgesamt staunen wir darüber, wie westlich hier alles wirkt. Das Hotel entspricht absolut europäischem Standard, alles ist sehr sauber und auf gutem Niveau, es gibt kostenloses W-Lan. Die (auffällig hübschen) Mädels laufen in engen Jeans herum, nur wenige Frauen tragen Kopftücher. Die Männer sind leger und modern gekleidet. Der Strassenverkehr scheint chaotisch, aber alles funktioniert. Wie von Geisterhand bahnen sich die ständig hupenden Autos einen sicheren Weg über vielbefahrene Kreuzungen. Kein einziger der hier herumcruisenden Mopedfahrer trägt einen Helm. Dass wir mitten im nahen Osten gelandet sind, merken wir eigentlich erst, als aus der nahegelegenen Moschee der Ruf des Muezzin erschallt. Das ist neu für uns, die wir diesen Teil der Welt erstmals besuchen. Wir genießen es – und fühlen uns sehr gut und herzlich aufgenommen in Syrien.
Knipser
Hallo Jungs, dass ist ja mal wieder ne super Info für uns Daheimgebliebenen. Wenn Ihr sogar in Regierungskreisen unter Beobachtung steht, könnt ihr euch ja heimmisch fühlen (grins). Bin schon mal auf den nächsten Blog gespannt. Also dann Captains immer genug Asphalt unterm Gummi. Gruß vom Knipser
MuChri
Hallo Jens, das klingt ja schon mal gut und lässt hoffen, dass es erlebnissreiche, spannende und schöne Tage für euch werden. Ich wünsche euch jedenfalls gute Fahrt, tolles Wetter , viele nette und interessante Menschenund dass weiterhin alles reibungslos abläuft. Liebe Grüße. Mu.