Mit der Harley im Orient Motorrad Reisen

Schock im Hafen4 min read

16. November 2010

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Schock im Hafen4 min read

„And now give me the keys from your truck!“ Die Gestalt vor mir erbebte leicht, wie von einem schwachen Stromschlag getroffen. Die Ansage des Zoll-Agenten hier im Hafen von Venedig musste Samy erst einmal verarbeiten. Doch sein „No“ kam ohne zu überlegen und entschieden: „I don’t give you the keys! When you need me, call me, and I stay here in a few minutes!” Dieser Wortwechsel im Commercial Port von Venedig-Maghera stellte den Schlusspunkt eines  turbulenten Tages dar.

Dabei hatten wir den Tag recht ruhig angehen lassen. Nach dem Start gestern in Salzburg kurz nach 19 Uhr hatten wir zunächst gegen 22 Uhr eine Pause von einer Stunde eingelegt. Samy als Alleinfahrer unseres MAN-Trucks musste die Müdigkeit mit einem kleinen Schläfchen bekämpfen. Nach dem Grenzübertritt nach Italien pausierten wir gegen ein Uhr erneut und beschlossen, zwei Stunden zu schlafen. Dass daraus fünf Stunden wurden, war nicht weiter schlimm, da wir sehr gut im Zeitplan lagen. Weniger gut war, dass Mocki im Mercedes die Batterie überfordert hatte, die die Standheizung befeuerte. Als wir morgens gegen sechs Uhr starten wollten, sprang der Benz nicht an. Wir hingen ihn einfach an den Lastzug an und hatten Glück, dass drei Kilometer weiter eine Raststätte war. Anschieben ging nicht, weil es ein Automatik ist. Mittels eines Starthilfekabels und eines Kaffees gelang es uns, den morgendlichen Schreck zu vertreiben. Mittlerweile regnete es in Strömen und entsprechend miesepetrig begrüßte uns Venedig. An deiner Raststätte parkten wir und hielten Kriegsrat. Samy fuhr dann im Benz los und erkundete die Gegend. Zwei Stunden später war der Kontakt zur Shipping Company und zum Zollagenten hergestellt sowie ein Zimmer in einem kleinen Hotel in der Nähe gebucht. Auch den Weg zum Hafen kannten wir nun.

Dort angekommen, reihten wir uns zunächst in einer längeren Schlange Trucks ein, die allesamt zum Hafen wollten. Etwas später klopfte ein Mann an der Tür, stellte sich als George und als Zoll-Agent vor und versetzte uns einen ersten Schock. Denn zum allerersten Male hörte Samy davon, dass der Zoll sämtliche Carnet de Passages benötigen würde – im Hafen von Venedig! Sam, der sich seit Monaten mit beinahe nichts anderem beschäftigt, bestritt dies energisch, aber was soll man machen? EU-Richtlinien sind in manchen Mitgliedsstaaten eben dehnbar oder werden anders ausgelegt. Scheinbar können die Bürokraten sich eben doch nicht durchsetzen mit all ihren Verordnungen und Anweisungen. Die ganze Fuhre – neun Harleys, der Sprinter und der Truck samt Auflieger – waren bereits in Deutschland vom Zoll vorabgefertigt und mit einer Zollplombe versehen worden. Das Carnet braucht man strenggenommen gar nicht für unsere Reise, so diverse Auskünfte, und schon gar nicht in Italien. Und nun stelle man sich diese Szene vor: Strömender Regen, eine endlose Reihe vor sich hin brummender und wartender Lkw in einem völlig heruntergekommenen Hafenviertel, die Strassenränder verdreckt und zugemüllt, und dann kommt da ein völlig unbekannter Mensch und verlangt die teuren Carnets sowie die Originalpapiere der Harleys! Man muss gar keine so rege Phantasie haben, um da misstrauisch zu werden. Zumal von einem „Zollagenten“ noch nie zuvor die Rede war, wenn Samy mit Fährgesellschaft oder Hafenbehörde telefoniert hatte. Letzten Endes ist das Geschäft der Zollagenten absolut üblich, und tatsächlich erledigte der gute Mann alles zu unserer Zufriedenheit. Natürlich hat dieser Service seinen Preis, und George kündigte schon mal an, dass er am nächsten Tag 20 Euro je Fahrzeug abkassieren würde.

Die nächste Überraschung wartete aber schon auf uns. Nachdem der Papierkram erledigt war, lotste uns George an der wartenden Schlange der Trucks vorbei und winkte uns auf einer leeren Spur bis ganz nach vorn, wo eine Schranke den Weg ins riesige und verwinkelte Hafenareal freigab. Als wir uns den Weg an den unglaublichen Mengen von Containern und Kranen durch das emsige Gewusel gebahnt hatten, bedeutete uns George, dass wir auf einem großen, völlig leeren Areal parken sollten. Während Sam noch äußerst skeptisch dreinschaute, traf ihn die nächste Eröffnung unseres Agenten wie ein Hammer. Man dürfe nicht im Auto auf dem Gelände übernachten, sagte George, das ginge nicht. Damit war der Plan, dass immer jemand am Truck und bei den Bikes bleiben sollte, geplatzt. Auch diverse Nachfragen Samys änderten nichts an dieser Tatsache. Auf das Äusserste unzufrieden ließen wir uns im Agentenauto zurück zum Hafeneingang transportieren. Als wir dort hielten, sagte George mitten in den ohrenbetäubenden Lärm der vorbeifahrenden Lastzüge hinein den einen, schockierenden Satz: „And now give me the keys from your truck!“ Die Reaktion ist bekannt, die Schlüssel blieben ins Samys Jackentasche und wir machten uns auf den Weg ins Hotel. Unterwegs plünderten wir eine Pizzeria, denn der Hunger hatte sich inzwischen recht deutlich gemeldet. Nach dem Mahl ruhten wir uns aus, machten Post, schrieben Berichte und SMS.

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3 Kommentare
  1. MuChri

    Hallo Jens, das klingt ja nach ziemlichen Nervenkitzel und ich kann mir vorstellen, dass ihr euch euren Start in euer Abenteuer etwas reibungsloser vorgestellt habt - und das alles in Europa. Hoffentlich erwarten euch in Nahost nur angenehme Überraschungen ! Natürlich hoffe ich, dass ihr ohne weitere Mätzchen und mit all eurem Hab und Gut die Fähre befahren durftet und wünsche euch eine ruhige und erholsame (vom nervlichen Stress) Fahrt. Liebe Grüße, auch an deine Freunde. Mu.

  2. Knipser

    Hallo Jens, Sami und Mocki, das klingt ja alles schon mal recht abenteuerlich. Inzwischen habt ihr ja auf der Fähre genug Zeit um euch von dem Zollfuzzi zu erholen. Schön, dass Du den Block weiterfütterst. Ich bleib auf jeden Fall am Ball und freue mich auf News. Grüße an die gesammte Tour-Bande K + W

  3. tobeier

    Moin moin, ihr Drei, man ist das bitter, was man da mit Euch anstellt! Bin ich froh, dass ich aus meinem warmen Büro heraus dem Regen zuschauen kann und mich nicht mit SOWAS rumärgern muss. Aber ihr habt ja sowieso alles richtig gemacht: Die aktuellen Bombendrohungenn gelten ja nur für Deutschland, in Damaskus kann es ja nur bei einem Fertigungsfehler oder beim Verpacken knallen.... "Lasst Euch nichts gefallen!" ruft Euch der tobeier nach

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