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Wenn der Vater mit den Kindern… Urlaub mit erwachsenen Söhnen – zwischen Abenteuer und Unmöglichkeit9 min read

11. November 2010

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Wenn der Vater mit den Kindern… Urlaub mit erwachsenen Söhnen – zwischen Abenteuer und Unmöglichkeit9 min read

Urlaubszeit bedeutet oft auch Kinderzeit. Das bedeutet aber auch erhöhtes Konfliktpotential. Man beschwichtigt entweder sein schlechtes Gewissen, weil man viel zu wenig Zeit mit seinen Sprösslingen verbracht hat und will es besonders gut machen. Oder man erlaubt plötzlich Dinge, die sonst nicht so gern gesehen sind. Auf alle Fälle machen sich alle Eltern massiv Gedanken über das Wie und Wo.  Solange sich die lieben Kleinen im Vorschulalter befinden, sind sie leicht zu erfreuen, etwa mit einem Cluburlaub oder einem schnöden Sandstrand. Bis zum Eintritt in die Pubertät wird Actionreichtum anerkannt, Schnorcheln, Bootfahren oder radeln gehen noch durch. Danach wird’s schwer und die Befriedigung bei den Kids wird nur noch selten zu erreichen sein – irgendetwas gibt es immer zu nörgeln. Was aber tut ein Vater, der mit seinen jung-erwachsenen Söhnen urlaubt? Ein authentischer Bericht.

Die Idee kam von mir. So wie eigentlich immer. „Wir drehen eine Runde durch den Ruhrpott, Holland, Belgien und über Frankreich zurück nach Karlsruhe“, schlug ich vor, als wir das Thema erstmals besprachen. Die Antwort kam kurz und knauserig wie meist bei solchen Themen: „Können wir machen“. Da sich über die darauffolgenden Monate diesbezüglich keine weitere Diskussion entspann, starteten wir eines Sonnabendmorgens tatsächlich durch. In Leipzig lud mein Ältester, Patrick (25), seine Siebensachen in unseren Kastenwagen mit Innenausbau vom Typ Ford Transit, in Karlsruhe stieg der 21-jährige Robert zu und wuchtete Klamotten wie für eine vierwöchige Dschungeltour nebst kiloschwerer Fototasche in das Mini-Wohnmobil. Nun hatte ich ihm die Idee, Fotograf werden zu wollen, seinerzeit selbst in den Kopf gesetzt, aber angesichts der dutzenden Objektive, Blitzgeräte, Konverter und anderer undefinierbarer Apparate musste der Hinweis auf den knappen Stauraum sowie die Frage nach dem Wohin gestattet sein. Knapp beschied mir mein Jüngster, das ergebe sich schon und schließlich wolle er ja tolle Fotos von unserem gemeinsamen Urlaub machen, oder? Schließlich landete der Foto-Klops in der Mini-Toilette, die wir eh nicht benutzen, weil wir uns ohne jegliche Diskussion einig waren, dass wir das Chemie-Klo eklig fänden. Und ein Mann kann schließlich beinahe überall, wenn er mal für kleine Jungs muss.

Auf dem Weg in den Ruhrpott bogen wir zunächst von der A5 am Frankfurter Flughafen ab, um an der Umgehungsstraße Richtung Mörfelden den „Spottern“ zuzusehen. Das sind nicht etwa besonders lustige Leute, sondern Menschen, die Flugzeuge sammeln. Genauer gesagt, Fotos von Flugzeugen – je exotischer, um so besser. Und wer besonders seltene Schnappschüsse hat, gilt als Schwergewicht in der Szene – beispielsweise, wenn die Boeing 747 „Bremen“ der Lufthansa erstmals den Flughafen in Bremen ansteuert und jemand ein Foto davon hat. Die größten Freaks erkennen sogar eine Maschine weit über uns am Himmel an kleinsten Merkmalen. Eine Quantas 744 beispielsweise an dem kleinen weißen Fleck am Heckleitwerk, das geformt ist wie ein Stück vom typischen Quantas-Känguru. Das alles erklärte uns ein mit riesigen Zoom-Objektiven behängter Mensch, der mit einer Leiter am Aussichtspunkt verwachsen zu sein schien. Meine Söhne lauschten dem Gespräch skeptisch. Für derart abwegige Hobbys haben sie nur Achselzucken übrig. Interessant sei es aber dennoch gewesen, beeilte sich Robert, der angehende Fotograf, zu versichern. Neben einigen startenden Jets präsentierte er mir stolz eine zwar unscharfe, aber seiner Ansicht nach spektakuläre Aufnahme eines Airbus 380: „Die stand ganz weit hinten, mit dem bloßen Auge kaum zu sehen!“

Beim nächsten Halt verproviantierten wir uns erst einmal. Beim örtlichen Aldi bekamen wir alles, was das Camperherz so benötigt. Grundnahrungsmittel, ein paar Dosen mit Suppen und ähnlichen Schmeckerchen, Getränke aller Art. An der Kasse fiel Robi, meinem Jüngsten, ein, dass noch Bier zu kaufen sei. Discounter-Bier schmecke ihm nämlich nicht, belehrte er mich, als er meinen fragenden Vater-Blick auffing.

Derart ausgerüstet, starteten wir endgültig durch und steuerten das Ruhrgebiet an. Auf dem Weg hatten meine Söhne alle Hände voll zu tun. Die Tastaturen ihrer Handys wurden bearbeitet, als wären es Schreibmaschinen – die Freundinnen zu Hause mussten schließlich auf dem Laufenden gehalten werden. Und wenn sie nicht tippten, hingen ihnen die Drähte ihrer musikabspielenden Spielzeuge a la ipod oder anderer MP3-Player aus den Ohren. In Essen entdeckten wir schnell einen Campingplatz, den „DCC-Stadt-Camping Essen“ direkt an der Ruhr, wo uns direkt ein freies Plätzchen zugewiesen wurde. Patrick mäkelte, das die Plätze aber eng geschnitten seien, worauf ich ihm Deutschland und sein strenges Ordnungssystem anhand gängiger Campingplatzregeln erklärte. Die Frage folgte auf dem Fuße, was die genau abgesteckten und schnurgeraden Wege und Parzellen mit Freiheit zu tun hätten? Ich zuckte mit den Schultern und gab meinen Jungs recht. Wie soll man einem 25-Jährigen erklären, warum die Deutschen auch jenseits des Pauschalurlaubs nun mal ein Volk sind, die ihre Grundwerte wie Genauigkeit und Exaktheit unter allen Umständen auch auf dem Campingplatz verteidigen? Dass deutsche Gemütlichkeit nicht unterm Dauercamper-Vorzelt aufhört, sondern über Gartenzwerg- und Hyazinden-bestandene Vorgärten bis hin zur platzeigenen Bierklause – geöffnet bis 21 Uhr – fortsetzt? Überzeugen konnten wir uns persönlich aber nicht mehr – pünktlich wurde das Vereinsheim geschlossen. „Isch habb auch mal Feijerahwend“ grummelte der stiernackige Schließer, der wohl auch den Wirt abgab. Der Abend endete also völlig unromantisch – Feuermachen auf dem Campingplatz strengstens verboten! – bei Dosensuppe und Aldi-Limonade. Bier zu kaufen hatten wir nämlich doch noch vergessen…

Obwohl das Wetter nicht mitspielte, verbrachten wir die kommenden Tage in Freude und Harmonie. Ich hatte wohl auf die richtige Karte gesetzt und mit den technischen Denkmalen und Fußballtempeln, die es im Pott zuhauf gibt, den richtigen Nerv getroffen. Also besichtigten wir die Arena von Schalke 04, besichtigten die Zeche Zollverein und kletterten auf die Schurenbach-Halde. Praktischerweise konnten wir dort gleich klären, wer für die Abendbrot-Zubereitung dieses Tages zuständig sein würde. Das erledigten wir seit Tagen auf die sportliche Tour. Den Treppenlauf nach Tempo die Halde hinauf verlor ich mit Pauken und Trompeten. Nach Luft japsend erfreuten wir uns am herrlichen Ausblick, oder täuschte das nur? Die Jungs lobten, es sei auf alle Fälle beindruckend… Robi fand auf jeden Fall toll, dass es ihn ausnahmsweise mal nicht erwischt hatte mit dem Abendbrot. Beim Torlattenschießen mit dem Fußball ist er nämlich nicht so besonders gut. Die Mädels zu Hause wurden selbstverständlich über jeden einzelnen Schritt per Handy unterrichtet – nahezu in Echtzeit.

Am nächsten Morgen hatte jeder seine Pflichten zu erledigen. Zeltabbau, Abwaschen, Wasser nachfüllen. Dabei fiel mir auf, dass unser Wasserschlauch ja seit zwei Jahren kaputt ist. Musste ich verdrängt haben. Ohne Genörgel wurde alles erledigt, das Auto war bald startklar. Es ist zweifellos ein Vorteil, wenn die Kinder schon etwas älter sind. Da wissen sie endlich, dass Abwasch nun mal sein muss und Diskussionen nur begrenzte Aussicht auf Erfolg haben, weil Papa nun mal auch nicht so besonders gern abwäscht. Die Erinnerungen an viele Auseinandersetzungen diesbezüglich sind frisch, die Narben noch nicht gänzlich verheilt.
Bald danach eine noch größere Überraschung, als wir das Schiffshebewerk Henrichendorf besichtigten. Ein sehr beeindruckendes Bauwerk, das uns alle (!) fesselte – einen halben Tag lang! So ausdauernd habe ich meine Jungs noch nie erlebt, allerhöchstens mal beim Fußballspielen. Und das, obwohl bei früheren Urlauben sogar Eiffeltum und Towerbridge eher verhaltene Reaktionen hervorriefen. Die Jungs hatten einen Heidenspaß, kletterten auf dem Bauwerk umher, der eine fotografierte wie wild, der andere interessierte sich für die ausgefeilten Technik-Lösungen. So war dann mir längst langweilig, als wir uns vier Stunden später für die Weiterfahrt entschieden. Getrübt wurde die Stimmung allerdings durch den kleinen Rückschlag, den Robi  zu verschmerzen hatte – keines seiner vielen Fotos war etwas geworden. Der Film war nicht richtig eingelegt und demzufolge nicht transportiert worden. Unser Urlaub begann also fototechnisch sozusagen erst an dieser Stelle. Ob diese Nachricht in die Heimat gefunkt wurde, ist allerdings unsicher.

In Holland nahmen wir den ersten Campingplatz, der uns unterkam. Das ist im Nachbarlande ja nicht schwer, und auch die Qualität stimmte. Die Dauercamper hatten ihre Grundstücke von schönen hohen Kirschlorbeer-Hecken umwachsen lassen, so dass sie unter sich sein konnten, für den Rest gab es große Rasenflächen. Da kaum Camper da waren, hatten wir die riesige Wiese für uns ganz allein. Nachdem wir das Fußballspiel erschöpft abgebrochen hatten, ging es zum Tischtennisspiel an die Rezeption, wo wir gleich noch für einen Tag verlängerten. Denn auch Swimming-Pool, Tennis-Anlage und Billard wollten ausprobiert werden… Am Abend kochte mein Großer einen Topf Spaghetti – ich war zu kaputt dazu. Nachsichtig beschied er: „Du hast Dich ganz gut gehalten, da kann ich ja auch mal Küche machen“. Danach glühten wieder die Handy-Tasten, das Summen von eingehenden SMS erinnerte mich an die Sehnsüchte, welche die jungen Männer haben mussten… Vorm Schlafengehen (ich war mal mit dem Zelt dran) fand ich im Bad die Monster-Fototasche und es fiel mir ein, dass schon seit längerem kein Foto mehr geschossen worden war.

In den Tagen danach eroberten wir die Niederlande auf äußerst sportive Weise. Im Nationalpark De Weerribben, in der Nähe von Zwolle gelegen, fuhren wir mit Paddelbooten durch eine unberührte Landschaft, spielten Badminton auf dem idyllischen Campingplatz und ich badete (allein) in einem der vielen Flußläufe. Wir liefen uns die Füße wund in Amsterdam, beäugten mißtrauisch die unzähligen Coffeeshops, machten eine Abstimmung, ob wir das Sexmuseum besuchen oder nicht (wir liefen weiter, nur der Jüngste wollte!), bestaunten die Grachten und das Gewimmel in der Stadt und simsten tonnenweise Nachrichten in die Heimat.

Direkt an der Lek, einem Arm des Rheins, gelegen, hatten wir in der nächsten Nacht mit dem Wetter Pech. Es stürmte und regnete dermaßen, dass wir mitten in der Nacht schon eine Rettungsaktion für Robert starten wollten, um ihn ins Auto zu holen. Er schlief aber so fest, dass wir es bald wieder sein ließen. Am Morgen ernteten wir verwunderte Blicke: „Was, es hat geregnet? Ich hab nichts mitbekommen…“ In Brüssel am Atomium lief Fotograf Robi wieder zu Hochform auf – er hatte nun die digitale Kamera um den Hals -, doch die lange Menschenschlange ließ uns von einer Besteigung des weltbekannten Wahrzeichens Abstand nehmen. Stattdessen versuchten wir ohne jegliches Kartenmaterial, die Innenstadt Brüssels zu erreichen. Nach zweimaliger Umrundung der R 20, des Cityrings, gaben wir auf und ließen uns mit der Metro zum Grote Markt transportieren, wo wir uns dem gewöhnlichen Touristendasein hingaben. Manneken Pis, die Zuckerbäckerarchitektur des Großen Marktes und das geschäftige Gewimmel in Heuvelstraat und Grasmarkt – ein wenig altklug, aber durchaus richtig fabulierte Patrick zwischen zwei SMS in die Heimat: „Einmal kann man das schon machen“. Abends, irgendwo am Waldrand zwischen Brüssel und Charleroi, hingen wir unseren Gedanken nach. Unser Resümee  fiel einhellig aus: Ein schöner Urlaub mit viel Sport und jeder Menge Neuem. Wir hatten uns nicht in die Haare gekriegt. Jeder durfte mitentscheiden. Ich hatte mehr Fotos gemacht als mein Sohn, der Fotograf. Aber nochmal? Wahrscheinlich eher nicht. Ohne Freundinnen wird das schwer werden. Und es summte schon wieder…

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Ein Kommentar
  1. MuChri

    Gelesen ! Ich vermisse nur einige Fotos mehr. Hast du den Bericht gekürzt? Oder hast du mir es nur ausführlicher erzählt? Bis bald, Jens! LG. Muddi.

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